Kolumnen

Ein Vierteljahrhundert Spielegeschichte in Person

Es muss wohl vor mehr als einem Vierteljahrhundert gewesen sein, als ich zum ersten Mal bewusst ein „richtiges“ Brettspiel erlebt habe.

Ich spreche hier nicht nur vom reinen Spielen, nein, auch der Genuss des Auspacken, der Duft der frischen Spielepackung, das Sichten des Materials, das begierige Studieren der Anleitung….

Wie Ihr unschwer erkennen könnt, schreibt hier jemand, der dem gepflegten Brettspiel komplett verfallen ist.

Obige Erfahrung bewusst zum ersten Mal traf mich im Wanderurlaub in Österreich mit ca. 13 Jahren. Mehrere Tage Regenwetter und die brodelnde Anspannung in der Ferienwohnung zwischen mir und meinem jüngeren Bruder haben meine Eltern sicherlich zu der Verzweiflungstat getrieben, einen örtlichen Spielwarenladen aufzusuchen. Ob wir beraten wurden oder selbständig zu Scotland Yard gegriffen haben, kann ich heute nicht mehr sagen, aber damit wurde der Grundstein für meine „Karriere“ gelegt. In meiner Erinnerung bestand dann der Rest-Urlaub aus gefühlten hundert Versuchen Mister X in London ausfindig zu machen oder sich als selbiger geschickt der Verhaftung zu entziehen. Es sei mir verziehen, das die Berglandschaft Österreichs nur noch blasse Erinnerung hervorruft.

Die Anschaffung weitere Spiele gehörte dann zu den festen Aufgaben meines Vaters, denn mein Taschengeld beschränkte diese Möglichkeit der Beschaffung ungemein. Er war lange Zeit für ein Kinderbuchverlag im Außendienst tätig. Der jährliche Besuch der Spielwarenmesse in Nürnberg gehörte dadurch zu seinen Pflichtterminen. Während und besonders am Ende der Messe ergab sich stets ein reger Tauschhandel zwischen den Ausstellern. So konnte mein Vater stets eine üppige Auswahl an Spielen mit nach Hause bringen. Er hat damit einen wichtigen Beitrag zu Füllung meiner Spielsammlung geleistet. Nochmals Dank an dieser Stelle.

Der nächste, bewusst erlebte Meilenstein, war der Erwerb von „Adel Verpflichtet“. Das muss so um 1990/1991 gewesen sein. Ich glaube es war das erste Spiel, was ich mir, dank gestiegener finanzieller Möglichkeiten, selbst gekauft habe. Zu der Zeit war der Händler der Wahl noch ein (für mich) gut sortierter Toys „R“ Us. Im Rückblick eine gruselige Vorstellung. Nach „Adel Verpflichtet“ folgten dann schnell „Drunter & Drüber“ auch von Klaus Teuber und „Um Reifenbreite“ von Rob Bontenbal. Alles Spiel des Jahres Preisträger, aber wir hatten ja damals nichts anderes als Informationsquelle oder Orientierungsmöglichkeit.

Aber dann kam ja so langsam auch die Informationsquelle Internet ins Spiel. Ja, jüngere Leser werden staunen, das Internet war nicht immer da. Nein, mit Modem und Raubritter-ähnlichen-Stundenpreisen surfte man damals durchs Netz auf der Jagd nach Informationen. Hier bin ich dann auf die Zeitschriften Spielbox, Pöppelrevue und Fairplay gestossen, die dann ein neues Informationszeitalter für mich einleiteten. Gut sortierte Spielefachgeschäfte in Oldenburg und Osnabrück waren dann gern besuchte Empfänger meines sauer verdienten Geldes.

Aus den „einfachen“ Spielen wurden dann sehr schnell auch Expertenspiele, deren Anleitungen eher Buchformat hatten. Darunter waren auch Strategiespiele von Avalon Hill (Blackbeard, Merchant of Venus, Pax Britannica …) natürlich mit Englischer Anleitung und natürlich so gut wie nie gespielt. Aber auch solche Perlen wie Supremacy und Civilization, die uns ganze Sonntage gefüllt haben. Zum Glück hatte ich zu dieser Zeit keine Probleme, Mitspieler zu finden. Mein Freundeskreis hat sich dankbar meinem Hobby angeschlossen und spielte begeistert mit. Jetzt hoffe ich natürlich, dass das kein verklärter Blick meinerseits auf die Vergangenheit ist und meine Freunde wirklich Spass an diesen Runden hatten. Sonst entschuldige ich mich an dieser Stelle für unzählige Stunden der Qual. Auch kurze Ausflüge in die Rollenspielwelt des „Das schwarze Auge“ und „Advanced Dungeons & Dragons“ probierte ich zu dieser Zeit aus, aber mit mangelndem Erfolg.

Die Jahre vergingen und brachten drei wunderbare Kinder mit sich. Aber Kindererziehung, Beruf und Haus standen in enger Konkurrenz zum Brettspielhobby. Und so ergab sich eine Phase, die ich mal als „Auf kleiner Flamme gekocht“ bezeichnen möchte. Erst als meine Kids das entsprechende Alter erreicht hatten, wurden sie zu dankbaren Opfern meiner Spielleidenschaft.

Jetzt mit 17, 15 und 12 können wir problemlos auch anspruchsvolle Spiele spielen. Ja, viel investierte Zeit in die Spielausbildung der Drei zahlt sich nun endlich aus. Obwohl die Lust bei jedem Einzelnen der drei immer mal wieder periodisch schwankt, sind sie doch grundsätzlich bereit etwas mit Ihrem Vater zu spielen oder auch Neues auszuprobieren. Da bin ich sehr dankbar.

Gleichzeitig beobachte ich aber, dass in ihren Freundeskreisen scheinbar diese Art der Beschäftigung eine völlig unbekannte ist. Kein Kind, was ähnlich oft zu Hause spielt wie wir. Gut, bei uns ist es natürlich überproportional viel, aber so gar nicht zu spielen oder nur die Standards wie Uno, Monopoly oder noch schlimmer: Mensch Ärgere Dich nicht, das geht doch nicht. Es ist mir absolut unbegreiflich, warum scheinbar der Kosmos des Brettspielens ein Mikrokosmos sein soll. Denn jeden, den ich bisher infiziert habe, hat auch seinen Spass daran gefunden. Und wir reden hier von jeder Altersgruppe.

So war der Drang nach einem eigenen Auftritt im Internet natürlich groß. Eine eigene Seite – Meine Kids wären begeistert. Papa als Internetstar. Tja, Ruhm und Reichtum würde ich ja nicht konkret ablehnen und ich wäre der Letzte, der uns Spieleverrückten nicht wünscht, hier im Netz viel mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Aber das ist genau der Punkt: Mehr Aufmerksamkeit oder vielleicht sogar mehr Aufklärung und Neugierig machen!

Was soll ich sagen, die eigenen Seite blieb ein Traum. Zeitlich als Einzelkämpfer nicht zu realisieren. Aber wie sage ich immer, schließt sich eine Tür, öffnet sich eine andere. Und Alex hat die Boardgamejunkies-Tür geöffnet.

Hier bin ich – Bleibt dran! Ich verspreche, es bleibt spannend!

André W

Hallo Zusammen, mein Name ist André und ich bin stolzer Besitzer zweier ländlicher Heimaten (Nähe Osnabrück und Nähe Darmstadt). Jahrgang 1971 macht mich zu einem Brettspielveteranen. Ja, ja, früher gingen wir noch Barfuß zum Spieleshop. Wir hatten ja nichts. Spielerisch habe ich vor nichts Angst, versuche aber immer wieder Wenig- oder Nichtspieler von unserem tollen Hobby zu begeistern. Viel Spaß und mögen die Spiele beginnen ...

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3 Kommentare

    1. Toys r us war tatsächlich die erste Quelle. Bis zu Entdeckung des Spieltraums. Und ich kenne alle drei Standorte. Jetzt ist das Geschäft im Nikolaiort, Dielinger Straße. Und nimmt immer noch mein Geld ;-)

      1. Ja, da bin ich auch immer noch mehrfach die Woche.
        Ich habe Malte sicherlich schon ein Auto finanziert :D

        In dem Toys r us habe ich quasi gelebt, weil ich 27 Jahre direkt am Kreisverkehr beim Porta gewohnt haben.

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