Kolumnen

Immer Ärger mit den Regeln

Da die Thematik „Regeln“ in letzter Zeit ziemlich häufig in Foren diskutiert wurde, habe ich mir gedacht, ich widme mich in diesem Beitrag voll und ganz diesem gelegentlich leidigen Thema.

Häufige Fragestellungen waren:

  • Wie liest/verinnerlicht man Spielregeln?
  • Wie vermittelt man Spielregeln?
  • Wie geht man mit Regelverstößen um?

Darüber hinaus interessiert mich:

  • Wie komplex dürfen Spielregeln sein?
  • Wie steht ihr zu Hausregeln?

In diesem Text möchte ich mich dem Thema Regeln aus meiner ganz persönlichen Sicht nähern und freue mich bei diesem doch oftmals umstrittenen Thema ganz besonders, wenn ihr fleißig diskutiert und eure Meinung mitteilt.

1. Wie lese ich Regeln

Immer, und immer wieder. Das beschreibt es ziemlich gut. Gerade weil mir meist die regellastigeren „Heavy-Games“ zusagen, sehe ich mich oft mit dicken Regelwerken konfrontiert.

Habe ich nun ein neues Regelheft vor mir liegen, blättere ich zuerst darin herum, verschaffe mir einen groben Überblick über die Aufteilung, dass ich später auch weiß, wo ich welche Regeln in etwa finden kann, genieße die schönen Bilder mit Vorfreude auf das Spiel, und suche nach einer Kurzfassung (meist auf der letzten Seite zu finden). Anschließend lese ich alle Regeln von vorne bis hinten einmal durch und notiere mir die wichtigsten Punkte. Falls nicht schon in der Anleitung mitgeliefert erstelle ich noch eine Kurzübersicht, die mir zu Beginn jeder Runde noch einmal alle ausschlaggebenden Situationen vor Augen führt. Wenn wir eine erste Testrunde gespielt haben, lese ich meistens die wichtigen Stellen noch einmal, um sicher zu gehen, dass wir im Spielverlauf auch nichts vergessen haben.

Was ich wirklich jedem ans Herz lege: Lest euch, falls möglich, die Spielregeln zumindest grob durch, bevor ihr ein neues Spiel kauft. Viele Spiele sind ziemlich teuer, und ich habe mich schon öfter über einen Fehlkauf geärgert. Daher bin ich besonders froh, dass einige Verlage (z.B. Heidelberger Spieleverlag) das Regelwerk in pdf-Format zum Download zur Verfügung stellen. So kann ich mir vor Öffnen meiner Brieftasche überlegen, ob das Spiel in meine Spielrunde passt.

2. Wie vermittle ich Spielregeln?

Wenn wir dann alle an einem Tisch versammelt sind beginne ich meine Regelerklärung zumeist mit einer allgemeinen Übersicht über das Spiel. Was ist es für ein Genre, kooperativ oder kompetitiv, wie lange dauert es in etwa, in welcher Welt spielt es etc., sodass jeder erst mal grob weiß worum es geht. Ich finde es immer wichtig, dass man gleich zu Anfang das Ziel des Spiels erklärt, so sind folgende Regelerklärungen für alle besser nachzuvollziehen.

Anschließend widme ich mich dem allgemeinen Ablauf des Spiels genauer, indem ich grundlegende Elemente eines Spielzugs erkläre. Wie schon in Punkt 1 oder in anderen Beiträgen erwähnt, erstelle ich gerne vorab eine Kurzübersicht über die wichtigsten Züge, Abläufe und Handlungsmöglichkeiten, die dann ab diesem Zeitpunkt für alle griffbereit und jederzeit einsehbar ausliegt. Ein Beispielzug oder eine Beispielrunde kann die zuvor erklärten Regeln noch einmal veranschaulichen.

Sollte es sich um ein komplexeres Spiel handeln, gehe ich im Anschluss nochmal ganz konkret auf bestimmte Spielmechaniken ein, zum Beispiel den Ablauf eines Kampfes.

Je mehr ihr eine Regel beim Erklären an das Thema des Spiels oder an die Logik der Realität  anknüpft, desto besser lassen sich Regeln merken. (An dieser Stelle verweise ich auch nochmal auf den Kommentar von Sebastian zu „Neue Spieler begeistern„. Er hat hier wunderbar erklärt, wie er Regeln vermittelt.) Ich arbeite gerne mit „Verbildlichungen“. Ein kleines Beispiel aus Descent bezüglich der Fähigkeit „weitreichend“: Der Ettin um den es ging, hält eine riesige Keule in die Höhe, mit der er, obwohl er ein Nahkämpfer ist, über mehrere Felder hinweg angreifen kann. Das ist nur logisch, mit einem Arm und einer Keule dieser Ausmaße. Ich habe das einmal auf diese Weise erklärt, es lagen auch oft viele Wochen zwischen den Spielrunden, aber die Frage nach der Bedeutung „weitreichend“ tauchte kein einziges Mal auf.

Ein Regelwerk lässt meist viel Spielraum für eigene Taktiken, Strategien und ganz persönliche, spielerische Finessen. Sollte allerdings nicht jeder die Regeln vollständig verinnerlicht haben, kann es dazu erst gar nicht kommen. In unserer Runde ist es daher Gang und gebe, dass aufkommende Fragen direkt gestellt und beantwortet werden. Am Anfang kann sich das als lästig erweisen, man muss oft im Regelheft blättern, oder auch mal einen Blick in ein Forum werfen, was den Spielfluss hemmt, aber wenn die Regeln erst mal sitzen, macht das gemeinsame Spielen noch viel mehr Spaß.

3. Wie gehe ich mit Regelverstößen/Fehlern um?

Gerade bei Spielen mit umfangreichem Regelwerk können schnell Fehler gemacht, oder Einzelheiten vergessen werden. Sollte mir das auffallen, erwähne ich das auch, unabhängig davon, ob es irgendeinem Spieler schadet oder nutzt. Gleichermaßen erwarte ich auch, dass ich darauf aufmerksam gemacht werde, wenn ich einen Fehler mache.

Handelt es sich um ein neues Spiel, ist es ganz normal, dass Fehler gemacht, oder ungünstige Entscheidungen getroffen werden. Ich finde es hierbei sehr wichtig, dass gerade dann auf Regelverletzungen hingewiesen wird, dass auch alle anderen Spieler noch einmal darauf aufmerksam werden. Nur so können die Regeln auch langfristig verinnerlicht werden. Vorwürfe oder Unterstellungen finde ich jedoch unangebracht und bin immer darauf bedacht, dass es auch bei meinem Gegenüber nicht so ankommt.

Aber niemand spielt gerne mit Schummlern. Gewollte Regelverstöße kann ich überhaupt nicht leiden und bringe das dann auch zum Ausdruck.

4. Wie komplex dürfen Spielregeln sein?

3, 2, 1… meins! Endlich hatte ich es ersteigert. Das neue Grundregelwerk zu Warhammer Fantasy. Als es ein Paar Tage später endlich klingelte und der Paketdienst mir mein heiß ersehntes Päckchen übergab, konnte ich es kaum erwarten meine ganze Aufmerksamkeit  meiner neuen Errungenschaft zu widmen. Ich fing an darin zu blättern, bestaunte die Bilder und überflog das Inhaltsverzeichnis. Nach etwa einer Stunde musste ich es mir eingestehen. Ich war maßlos überfordert (512 Seiten!).

Wie komplex dürfen Regeln für mich sein? Ich habe bisher noch keine wirkliche Antwort darauf gefunden, aber ich kann festhalten, dass ich es mag, wenn ein Spiel umfangreiche Spielmechaniken bereit hält, die dann auch meist mit vielen Regeln einher gehen.

Über Weihnachten testeten wir Might and Magic – Heroes, haben zwei Stunden über dem Regelheft verbracht, in Vorfreude und Nostalgie gleichermaßen geschwelgt, und dann endlich eine Testrunde gestartet. Puuh, waren wir gelangweilt und genervt von unnötigen Prozessabläufen, vor allem beim Kampf. Ich war wirklich enttäuscht über die Regeln, die meiner Meinung nach unnötig komplex gestaltet waren, sodass das Spiel zu einer stumpfen Aneinanderreihung von Prozessen wurde, die wirklich wenig Spaß und Anreiz boten. Manchmal heißt es eben: Weniger ist mehr! Easy to learn, hard to master. Viele Spiele brauchen keine komplexen Regelwerke, sondern bedienen sich eher einem Rahmengerüst aus Regeln, der dann dem Spieler die Basis dafür liefert, dem Spiel eine persönliche Note zu verleihen. Quarto (Gil Gamic), Wizard (Amigo) oder auch Risiko spiele ich aus diesem Grund sehr gerne.

Trotzdem spiele ich meistens Spiele mit umfangreichen Regeln. Wichtig ist mir dabei, dass das Regelheft einen roten Faden aufweist, mit Beispielbildern arbeitet, gut übersetzt wurde, und auch potentiell auftretende Fragen gleich beantwortet. Besonders gefallen haben mir hinsichtlich meiner oben genannten Kriterien, die Regelwerke von Eclipse, Mage Knight, Runewars oder Battlelore (second edition).

Um nochmal zu Warhammer Fantasy zurück zu kehren: Ich habe noch ein Paar mal angesetzt, jedoch bis heute nicht das ganze Buch gelesen. Meine Entscheidung steht fest: Ich bin Student, arbeite nebenher, habe viel zu wenig Zeit und schon gar kein Geld für ein solch vereinnahmendes Tabletop, bin aber weiterhin Feuer und Flamme. Spätestens wenn ich Rentnerin bin werden meine Dunkelelfen zum Kampf antreten :)

5. Wie stehe ich zu Hausregeln?

Kurz und knapp: Ich liebe sie! Ich habe schon so oft Regeln abgeändert oder verworfen, das kann ich gar nicht mehr genau zählen. Meistens bin ich damit sehr zufrieden und wir spielen bis heute mit den eigenen Regeln.

Bei Risiko beispielsweise kann man durch Sammeln von Einheitenkarten neue Einheiten rekrutieren. Die Regel dafür ändert sich in fast allen Editionen und Spielrunden. Wer zuerst einlöst bekommt zwar weniger Einheiten ist aber schneller aufgerüstet. Je später man einlöst, desto mehr neue Soldaten dürfen meiner kleinen Armee beitreten. Ich finde diese Regel unfair. Um niemanden zu bevorzugen oder zu benachteiligen habe ich eingeführt dass sich die Anzahl der Einheiten die man für das Einlösen bekommt nach und nach hoch „schraubt“. Der Erste bekommt 4, der nächste 6, der Dritte 8. Der folgende Spieler bekommt wieder weniger beginnend bei 6, gefolgt von 8, bis hin zur 10. Und immer so weiter (4,6,8,6,8,10,8,10,12…). In unserer Runde fand diese Änderung großen Zuspruch.

Wenn man Regeln ändert sollten es jedoch keine Grundregeln sein, oder solche, die in das Spiel maßgeblich eingreifen. Zumindest sollte man hier wirklich vorsichtig sein. Ich selber traue mich da nicht ran.

Zudem ist es mir besonders wichtig, dass unsere ganze Runde mit der neuen Regel einverstanden ist, ansonsten wird sie wieder verworfen. Persönlich lege ich Wert darauf, dass jede Regeländerung oder -ergänzung streng der Logik der Realität folgt. Ich meine damit, dass es einfach logisch ist, dass eine Regeln existiert. Ein Beispiel aus Runewars: Im Winter ist es kälter, die Ernten sind mager, daher ist das Einheitenlimit beschränkt auf die Anzahl an Nahrung die mir zur Verfügung steht. Einheiten, die ich nicht versorgen kann sterben. Zudem sind im Winter die Seen zugefroren und, im Gegensatz zu den anderen Jahreszeiten, dann auch passierbar. Logische Regeln, die sich an der Realität orientieren finden daher auch in unseren Hausregeln meist Anwendung.  Auch bei Regelunklarheiten, bei denen wir keine Antwort finden können, verfahren wir nach diesem Schema.

Und mal ganz ehrlich: Eine Sichtlinie wird doch nicht von einem Zwerg unterbrochen! ;)


Wie sieht’s bei euch aus?

  • Habt ihr eine bestimmte Vorgehensweise beim Lesen oder Vermitteln von Regeln?
  • Wie steht ihr zu Hausregeln und welche habt ihr bei euch in der Runde eingeführt?

Ines

Ich bin Ines, 34, und bin seit vielen Jahren eine absolute Vielspielerin. Meine liebsten Spiele fallen fast alle in die Kategorie Ameritrash und stellen entweder Miniaturen oder eine Menge Karten in den Mittelpunkt. Meine Favoriten sind Spiele wie Shadows of Brimstone, Kingdom Death. Twilight Imperium, Runewars, oder Descent 1. Wenn ihr Fragen, Wünsche für zukünftige Berichte oder Anregungen habt könnt ihr euch gerne an mich wenden: Ines@Boardgamejunkies.de

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8 Kommentare

  1. In den meisten Fällen habe ich schon diverse Videorezensionen und Lets Plays der Spiele gesehen, die ich mir kaufe. Daher weiß ich wie sie funktionieren und kenne die meisten Regeln schon, bevor ich die Anleitung zum ersten Mal aufschlage. Trotzdem lese ich die Regel noch einmal durch um sicher zu gehen, dass ich alles richtig verstanden habe, und um Regeldetails zu klären.
    Meist gehe ich dann mehrfach im Kopf durch, wie ich jemandem das Spiel erklären würde, lege mir quasi gedanklich einen Plan zurecht.
    Alles weitere ergibt sich beim ersten Probespiel

  2. Das Einzelkind (also ich) spielt im normalfall eine Partie alleine vor sich hin. Ich simuliere also ein 2-Spieler-Spiel mit mir selbst. Somit werden mir Regelunklarheiten oft schon vor dem ersten Praxis-Spiel deutlich.

    Zu Warhammer: Das Spiel ist reines learning-by-doing. Ohne mit jemandem, der das Spiel beherrscht und es dir beim Spielen beibringt wird das nichts. Das Warhammer Fantasy Regelwerk ist seit der Edition in der ich gespielt habe, fast auf das doppelte angewachsen. Und es war damals mit 300 Seiten schon ein Brocken.

    Zu Might and Magic: Heroes werde ich später noch was schreiben. Da teile ich Ines Meinung überhaupt nicht.

  3. Ja die Sache mit den Regeln ist ein gutes Thema.
    Wir haben auch öfters die Regeln der Spiele noch griffbereit obwohl wir das betreffende Spiel gut kennen.
    Letzte Zeit bin ich auch zur Faulheit übergegangen und habe die PDFs auf dem Tablet und benutze die Suchfunktion in der PDF um schneller etwas zu finden.
    Sehr gut finde ich, die für sehr viele Spiele, immer wieder selbstgemachten Mini Regeln/Regeln Zusammenfassung.

    1. Ja die kleinen Zusammenfassungen sind super hilfreich. Am wichtigsten sind so kleine Regeln, die man schnell nach längerer Spielpause vergisst. Wir hatten bei Descent z.B. vergessen, dass man ja für ein Energie-Symbol auf dem Würfel auch einen Punkt Ausdauer heilen kann. Und das kann so entscheidend sein.

  4. Ich mache es auch meistens so, dass ich mir nach dem Studieren der Regeln noch ein paar Let’s Plays auf YouTube zu dem Spiel ansehe. Da gibt es dann meistens noch viele Aha-Erlebnisse, wenn bei den Regeln etwas unklar geblieben ist. Danach nehmen wir uns zu zweit eigentlich immer viel Zeit für ein Probespiel, bei dem wir uns an den Regeln entlang hangeln und direkt merken, wo noch etwas unklar ist. Learning by doing quasi ;-) So klappt es bisher immer ganz gut, auch bei den komplexeren Regelwerken.
    Bevor es dann ans Spielen mit anderen geht, lege ich mir auch einfach grob zurecht, wie man was gut erklärt. Da habe ich keine spezielle Strategie, bisher hat es auch so immer gut geklappt – vor allem, wenn man das Spiel selber schon gut kennt und weiß, worauf man unbedingt beim Erklären achten sollte.

  5. Also meine Freundin interessiert sich weder groß für Themen noch für Spielwelten, daher erkläre ich am Anfang immer wie man zu seinen Siegpunkten kommt und dann kommt der Aufbau und die einzelnen Phasen.
    Mein Lieblingssatz in jeder Regel ist immer noch der erste Satz, da frage ich mich immer ob das tatsächlich jemand anders macht: vor dem Spiel breiten wir den Spielplan mit der Spielplanseite nach oben auf dem Tisch aus !

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