It’s just a jump to the left and step to the riiiiight…
Wer sich nun fragt, was Anachrony mit der Rocky Horror Picture Show zu tun hat, dem sei gesagt, dass uns hier weder Dr. Frank N. Furter noch andere Aliens erwarten, dafür aber der Timewarp eine große Rolle spielt. Also springen wir direkt hinein.
Worum geht’s?
Wir schreiben das 26. Jahrhundert umd der „Tag der Läuterung“ liegt mittlerweile über 300 Jahre zurück. An diesem Tag kam es zu einer gewaltigen Explosion in Südamerika, deren Folgen die Menschheit nahezu ausgelöscht einen Großteil der Erde unbewohnbar gemacht hat.
Die Überlebenden organisierten sich zu vier radikal unterschiedlichen Ideologien, die sie „Pfade“ nannten.
Vier Pfade für ein asymmetrisches Spiel
1. Den friedlichen Pfad der Harmonie, der sich in den wenigen verbliebenen Naturlandschaften ansiedelte.
2. Den strengen Pfad der Macht, dessen riesige schwimmende Stadt die Meere durchstreift.
3. Den cleveren Pfad des Fortschritts, der die Erde von seinem Sitz in den Wolken aus betrachtet.
4. Den gläubigen Pfad des Heils, der sich in unterirdische Gewölbe zurückgezogen hat.
Der einzige gemeinsame Treffpunkt der Pfade ist die letzte große Stadt und gleichzeitiger Sitz des Weltrats.
Aber was hat das jetzt alles mit dem Timewarp zu tun? Forscher fanden im Zentrum der Explosion eine unbekannte Substanz: das Neutrinium – ein ideales Baumaterial. Zum 300. Jahrestag des Tages der Läuterung sollte hieraus ein Mahnmal errichtet werden. Als die Festlichkeiten zur Fertigstellung begannen, öffneten sich allerdings Zeitrisse aus der Zukunft und zeigten die eigentliche Macht des Neutriniums – führt man Energie hinzu, kann es Wurmlöcher im Gefüge der Zeit öffnen.
Die Verbindung zur Zukunft offenbarte, dass die „Läuterung“ die Folge des allerersten Zeitrisses aufgrund eines Asteroideneinschlages in der Zukunft war. Dieser enthielt so viel Neutrinium, dass die Energie des Einschlagsin die Vergangenheit geleitet wurde. Und nun liegt der eigentliche Einschlag in unmittelbarer Zukunft – und wir bereiten unseren Pfad nun auf diesen Tag vor.
Wer mehr über die Geschichte erfahren möchte, kann dies auf www.anachronyboardgame.com detailliert nachlesen.
Wie spielt sich Anachrony?
Anachrony ist ein Workerplacement Spiel, d. h. ich setze meine verfügbaren Arbeiter an verschiedenen Orten ein, wo sie Aktionen ausführen. Anachrony bietet dabei folgende Besonderheiten: einerseits gibt es verschiedene Arbeiter (Wissenschaftler, Ingenieure, Administratoren und Genies, die quasi als Joker agieren), die ich unterschiedlich effektiv einsetzen kann. Außerdem kann ich Arbeiter außerhalb meines Spielerboards nur einsetzen, wenn ich sie in einen vorher geladenen Exosuit setze. Diese Mech-ähnlichen Anzüge schützen unsere Arbeiter vor der vergifteten Atmosphäre und erlauben so den Einsatz in der Stadt.
Das Spiel wird in fünf bis sieben Runden gespielt. Am Ende der vierten Runde kommt es zum Einschlag des Asteroiden, welcher das Ende des Spiels eingeläutet. Hiermit bietet Anachrony ebenfalls ein besonderes Spielelement – der Spielplan verändert sich nämlich nach dem Einschlag. So werden bislang verfügbare Aufladepunkte für die Exosuits unzugänglich gemacht und die Hauptaktionen der Stadt können nur noch einmal pro Feld ausgeführt werden, danach wird es abgedeckt. Ist das letzte Feld benutzt worden, endet das Spiel am Ende der Runde.
Vor dem Ende sollte man allerdings noch die Evakuierung durchführen. Hierzu muss jeder Pfad eine spezifische Bedingung erfüllt haben (z. B. eine bestimmte Anzahl von Gebäuden errichtet haben) und löst damit eine einmalige Siegpunktwertung außerhalb der Endwertung aus. Hierauf arbeitet man im Laufe des Spiels hin und hier werden die meisten Punkte verteilt.
Jetzt habe ich schon zwei Besonderheiten erwähnt und immer noch nicht den Timewarp. Aber nun. Nachdem die aktuelle Runde vorbereitet wurde, können die Spieler sich selber Rohstoffe oder Arbeiter aus der Zukunft in die aktuelle Runde schicken. Dies erfolgt über Plättchen, die anschließend auf den ausliegenden Zeitstrahl gelegt werden. Diese dienen einerseits zur Erinnerung, dass man sich diese im späteren Spielverlauf (also in der Zukunft) auch zurückschicken muss. Andererseits muss man – so lange man diese noch nicht zurückgeschickt hat – für so genannte Paradoxe würfeln. Erwürfelt man sich drei hiervon entstehen Anomalien. Diese belegen sowohl Bauplätze und bringen Minuspunkte – ebenso wie am Spielende noch ausliegende Warp-Plättchen.
Was macht Anachrony jetzt so gut?
Der Mechanismus an sich ist aus zig Workerplacement Spielen natürlich bekannt. Auch hier sammel ich durch einsetzen von Arbeitern Rohstoffe ein, werbe neue Arbeiter an und baue Gebäude, um weitere Aktionsmöglichkeiten oder dauerhafte Vorteile zu erlangen. Durch seine kleinen Kniffe, wie die Nutzung des Warps zum Erhalt von Rohstoffen/Arbeitern aus der Zukunft, der Entstehung von Paradoxen/Anomalien sowie dem Einschlag und der darauf folgenden Veränderung des Spielfelds, bringt Anachrony so viel Atmosphäre in das Spiel. Irgenwie passt alles thematisch perfekt zusammen. Eurogames haben ja häufig das Problem, dass das Thema nur aufgesetzt wirkt, hier ist aber alles rund und man kann direkt in die Story eintauchen. Und auch hier bietet Anachrony eine Besonderheit. Wer sich den Link oben schon angeschaut hat, wird sehen, dass die Entwickler eine detaillierte Hintergrundgeschichte erdacht haben – das macht die Atmosphäre natürlich noch dichter.
Noch ein Wort zur Anleitung. Anachrony wurde durch eine Kickstarter Kampagne ins Leben gerufen und ab und zu leiden diese Spiele an einer schlechten oder zumindest nicht gut übersetzen Anleitung. Die Regeln von Anachrony hingegen sind klar strukturiert, gut zu lesen und bestens übersetzt. Außerdem gibt es für jeden Spieler eine hilfreiche Rundenübersicht.
Außerdem sind gleich mehrere Module enthalten, um dem Spiel noch mehr Facetten hinzuzufügen. So können z. B. die Exosuits aufgewertet werden und mit ihnen ein neues kleines Board besucht werden. Außerdem können die Pfade mit Experimenten an der Verhinderung oder gar Beschleunigung des Einschlags arbeiten. Die Module habe ich aber noch nicht genutzt – das Grundspiel bietet schon genug für die ersten Partien. Hierzu vielleicht später mehr. Es sei noch dazu gesagt, dass die Miniaturen nicht im Grundspiel enthalten sind, sondern extra – mit einigen zusätzlichen Modulen – hinzugekauft werden können.
Fazit (Michi): Für mich ist Anachrony derzeit- neben Champions of Midgard – mein liebstes Workerplacement Spiel. Es ist durchaus komplex, hat aber trotzdem recht zugängliche Regeln. Die beschriebenen „Kniffe“ sind zwar nicht revolutionäre neue Mechanismen, passen aber thematisch perfekt. Wer also gerne thematische Eurogames mag, dem kann ich Anachrony wärmstens empfehlen. Und alleine schon wegen der schönen Miniaturen würde ich auch gleich bei der Erweiterung zuschlagen.
Das Spiel ist einfach zu gut! Wie oft habe ich als hauptsächlicher „Eurogamer“ immer ein bisschen neidisch zu ganzen Miniaturen- und überhaupt thematischen Spielen geschaut. Ich mag es wenn es einfach schön aussieht. Genau für Leute wie mich wurde anscheinend Anachrony entwickelt. Genau für Leute wie mich wird eine Erweiterung mit Miniaturen angeboten. Endlich ein Worker-Placement was richtig gut aussieht! Löblich von dem Verlag dies als Erweiterung anzubieten. Jeder, der auf Miniaturen verzichten kann, bekommt das Grundspiel für einen absolut fairen Preis. Trickerion (ebenfalls von Mindclash) und Anachrony sind die Spiele, die ich Leuten entgegenwerfe, wenn sie den bösen Begriff „soulless Euro“ über ihre Lippen bringen. Ich warte gespannt auf weitere tolle Projekte dieses Verlags![/author] [tie_index]Alex‘ Fazit[/tie_index][author title=“Alex‘ Meinung“ image=“https://secure.gravatar.com/avatar/bb7598f81f17b469d3426617f5a446c0?s=180&d=mm&r=g“]Anachrony ist ein ziemlicher Wahnsinn. Wahnsinnig viel Material, wahnsinnige tolle Ausstattung, wahnsinnig komplex aber auch wahnsinnig genial. Der Zeitreise-Mechanismus ist zwar ein einfacher Kredit mit Risiko, doch thematisch ist alles toll eingebunden, macht Sinn und lässt sich herleiten. Mindclash Games haben auf das grandiose Trickerion (das mir vom Thema her mehr zusagt) definitiv noch eines drauf gesetzt. Die Miniaturen der Exosuite Erweiterung geben dem ganzen dann den Rest. Damit ist das Spiel teuer, überproduziert aber eben auch verdammt geil. Für ein sehr gutes Spielerlebnis braucht es keine Exosuits, für ein grandioses kann ich sie aber nur empfehlen! Dass es einen Solo-Modus gibt, begrüße ich bei Eurogames immer sehr. Dass der Solo-Modus allerdings nur ohne Module spielbar ist, nervt mich. Denn die Module bieten einen enormen Langzeitspielspaß! Die Variante „Alternativer Zeitstrahl“ bei dem die Warp-Phase noch wichtiger wird, sagt mir nicht zu. Ich finde sie zu unplanbar, frustrierend und durch den Grübelfaktor (Wer legt was, wo lande ich?) wird das Spiel in die Länge gezogen. Ebenso finde ich den Draft der Startressourcen als optionale Regel als zu viel. Wobei man dem Spiel zu Gute halten muss: Es funktioniert mit solchen Anpassungen. Sie wurden wohl getestet und sorgen für noch mehr Strategie und Varianz. Das muss man positiv sehen. Ich möchte diese Regeln nur nicht nutzen.