Drei Freunde auf dem Weg durch Mittelerde – Aragorn, Gimli und Legolas. Eine Reise voll von Abenteuer, Ungewissheit und Gefahren. Auch mechanisch begehen wir, trotz aus Villen des Wahnsinns 2 bekannten Mechaniken, neue Wege. Erkundung und Investigation. Kampf und Abenteuer. Herr der Ringe – Reise durch Mittelerde versucht mit Abwechslung zu punkten und bleibt doch in der Banalität stecken.
Die Erwartungen
Jedes Spiel schürt Erwartungen und ein Spiel aus einem großen Franchise wie Der Herr der Ringe gleich doppelt. Zusätzlich ist es quasi ein inoffizieller Nachfolger von Villen des Wahnsinns 2 – ein Spiel das ich sehr liebe. Trotzdem waren die Erwartungen gemischter Natur. Mechanisch habe ich kaum was erwartet. Etwas Charakterentwicklung und eine Probenmechanik die einfach Spaß macht. Von der Story, der Immersion, habe ich mir eine ganze Menge erwartet. Ich wollte in die Welt von Herr der Ringe eingesaugt werden. Mit jeder Faser wollte ich meinen Aragorn verkörpern. Ein richtiges Herr der Ringe Abenteuer eben. Doch was ich bekam…
Die Story
… war leider nicht das erhoffte. Keine Sorge, ich spoiler euch jetzt hier nicht die Story. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, da gibt es nichts, das sich zu spoilern lohnt. Abenteuer im Auenland rund um Bree, das hätte so viele Möglichkeiten für Geschichten hergegeben. Spiele wie Herr der Ringe Online machen es vor. Statt dessen wird die 0815 Klischee-Geschichte aus vollen Rohren gefeuert. Irgendwo sind Orks? Ein verwundeter Waldläufer? Ab in ein Wirtshaus um einen Spion zu finden? Ach bitte. Das war nicht nur vorhersehbar, es war auch absolut unspannend bis banal.
Der Wechsel der Spielmodi
Trotzdem hat die Story im Ablauf eine Sache sehr gut gemacht. Sie hat sich in dem was wir tun abgewechselt. Abwechslung verhindert nämlich, dass einem die Banalität zu sehr auf den Keks geht. Mal mussten wir auf der großen Karte erkunden, Mal nutzten wir den Kampfspielplan um zu kämpfen und Mal um zu ermitteln. Das sind Neuerungen und spielerische Abwechslung die ich in so einem Spiel sehr begrüße. An dieser Stelle also ein ernstes Lob an die Gamedesigner.
Die Kampagne und Charakterentwicklung
Das ganze Spiel erleben wir in einer Kampagne. Während einer laufenden Kampagne hat man keine Möglichkeiten neue Spieler dazu zu nehmen oder andere zu entfernen. Das Wiederholen von gescheiterten Szenarien geht ebenso nicht. Scheitern, gehört hier dazu und beeinflusst den weiteren Verlauf der Kampagne (I see you, Arkham Horror LCG!). Innerhalb der Kampagne bekommt unser Charakter neue Karten ins Deck und alle Schaltjahre Mal einen weiteren Gegenstand bzw. darf er einen vorhanden verbessern. Beute? Gibt’s nicht. Level? Gibt’s nicht. Erfahrungspunkte? Gibt’s schon, aber nicht zum leveln.. Statt dessen gibt es Wissen das an den unmöglichsten Orten im Spiel auf uns lauert. Mit genug Wissen, wird unsere Ausrüstung automatisch besser. Entscheidungen? Werden uns hier kaum abverlangt. Einzig das Hinzufügen von Karten zu unserem Deck durch Erfahrungspunkte ist eine Entscheidung – die sich aber keinen von uns wichtig angefühlt hat.
Das Kernproblem: Die Mechanik
Das alles wäre verschmerzbar, wenn die Mechanik begeistern könnte. Wir haben hier ein Abenteuerspiel. Es braucht also simple Mechaniken um das Abenteuer zur Geltung kommen zu lassen. Das ist mir auch bewusst und funktioniert in Villen des Wahnsinns 2 mit den Würfelproben ganz ausgezeichnet. Bei Herr der Ringe – Reise durch Mittelerde hat man sich gegen Würfel und für Karten entschieden. Jede Probe fordert ein Attribut und X Erfolge. Das Attribut des Helden bestimmt die Anzahl aufgedeckter Karten. Meist zwischen 2 und 4. Auf den Karten sind Erfolgssymbole, Schicksalsymbole oder nichts. Erfolge sind gut, Schicksal muss man umwandeln können, Nichts ist doof. Neu gemischt wird das Deck erst am Ende einer Runde. Wenn es also doof läuft, hat man bereits in der ersten Probe einer Runde alle Erfolge im Deck verballert – dann weiß man schon, alles andere geht schief. Das System ist trotz dessen, das sich das Spiel Mühe gibt es beeinflussbar wirken zu lassen mit Karten auf oder unter das Deck legen und den Schicksalssymbolen absolut trivial und nervig. Es behindert einen permanent nur. Hinzu kommt, dass viele Proben im Spiel – besonders die wichtigen – nicht mitteilen wie viele Erfolge man benötigt. Man werkelt also munter ins blaue hinein. Was bei Villen des Wahnsinns 2 passt, wirkt hier aufgrund der Kampagne häufig deplaziert. Ich kann’s im Grunde auch gar nicht so genau erläutern – es langweilt einfach. Es passiert zu wenig, es sind zu wenige Erfolge im Deck und die Ausbaumöglichkeiten wissen einfach nicht zu begeistern. Wir haben uns vielfach gespielt gefühlt.
Ist es nun ein schlechtes Spiel?
Vorsicht: Weichspüler. Schlecht ist relativ. Es ist definitiv nicht mein Spiel und ja, aus meiner Perspektive heraus ist die Erfolgsmechanik durch das aufdecken der Karten langweilig und uninspiriert umgesetzt. Es macht einfach keinen Spaß. Wenn dann noch eine uninspirierte Story hinzu kommt, war es das leider. Allerdings macht das Spiel auch einiges richtig. Es zeigt uns, wo die Möglichkeiten mit einer App hingehen. Es bringt auch Ideen in das Genre, wie man für Abwechslung sorgen kann und kommt somit sogar dem Rollenspiel einen Schritt näher. Übrigens: Vom Umfang her, bietet das Spiel wirklich einiges!
Ein letztes: Die App
Störte mich die App bei Villen des Wahnsinns 2 gar nicht, so störte sie mich hier ein bisschen. Oder sagen wir besser: Nicht die App an sich, sondern die begrenzten Möglichkeiten. Herr der Ringe: Reise nach Mittelerde ist ein Kampagnenspiel, das heisst, der Fortschritt wird in der App gespeichert. Ohne Accountanbindung, ohne Cloud Speicher, ohne alles. Ich habe weder die Möglichkeit meinen Spielstand zu sichern in Form eines Backups, noch kann ich die Kampagne einfach auf einem anderen Gerät fortsetzen. Bei Villen des Wahnsinns 2 ist das egal, da sind es nur einzelne Szenarien – bei Herr der Ringe: Reise durch Mittelerde sind es aber nun Mal ganze Kampagnen, die auch Mal länger dauern können. Da wäre eine sichern der Kampagnen durchaus angebracht um Frust vorzubeugen. Ein Gerät muss nur Mal kaputt gehen oder muss zurückgesetzt werden, schon ist der Fortschritt futsch. Wenn FFG schon keine eigene Cloud Speicherung anbietet, dann wenigstens das exportieren der Spielstände erlauben…
Im Gegenteil zu Villen des Wahnsinns 2 wird die Vorgeschichte dieses Mal nicht gesprochen, was ich sehr schade finde. Ebenso fehlt immer noch mehr Abwechslung bei den Angriff-Texten der Gegner.
Obwohl ich Der Herr der Ringe als Setting sehr mag, ist dieses Spiel doch nicht meins geworden. Zu langweilig die Mechanik, zu uninspiriert die Geschichte. Trotzdem hoffe ich, dass FFG diesen Weg weiter geht und uns noch tolle Spiele mit App Anbindung beschert. Denn besonders die Abwechslung in den Szenarien ist toll und die Optik sowie das Spielmaterial Mal wieder erste Sahne!