Rezensionen

Rezension: Too Many Bones

Man sieht die Knochen vor lauter Würfeln nicht

Too Many Bones ist ein kooperatives High-Quality-Würfel-Abenteuer-Taktik-Minikampf-Rollenspiel. Bäm – neue Wortschöpfung – vielleicht etwas lang, aber irgendwie muss man dieses Spiel der Superlative ja beschreiben. Too Many Bones hebt sich nämlich deutlich von anderen Spielen ab – sowohl von den Mechaniken, als auch vom Material.

Worum geht’s?

In Too Many Bones schlüpfen 1-4 Spieler in die Rolle eines sogenannten Gearlocks – eine Mischung aus Mensch, Elf und Goblin – und machen sich auf den Weg, um Daelore (die Heimat unserer Protagonisten) von einem bösen Tyrannen zu befreien. Auf der beschwerlichen Reise zum Unterschlupf des Tyrannen stellen sie sich dabei diversen Gefahren und Monstern. Schon mal gehört? Eine Gruppe Halbwüchsiger reist durch die Lande und stellt sich einem schier übermächtigen Tyrannen? Aber keine Sorge: hier steht nicht ein Ring im Mittelpunkt des Geschehens, sondern eine Unmenge an Würfeln.

Aufbau eines Szenarios

Jeder der Spieler sucht sich einen der zehn verschiedenen Gearlocks aus (vier aus dem Grundspiel, zwei aus Undertow und vier Charakterpacks) und erhält dessen Matte, Chips und natürlich Würfel. Jeder der Gearlocks spielt sich komplett unterschiedlich und erfordert – durch die 16 individuellen Skill-Würfel – eine andere Herangehensweise.

Boomer

Zudem wird noch ein Endgegner ausgesucht. Dieser bestimmt, welche Gegner/Monster (5 verschiedene Monsterarten sind im Grundspiel enthalten) ins Spiel kommen und wie viele „Fortschrittspunkte“ und Tage man Zeit hat, um zur Feste des Tyrannen zu kommen und ihn im Endkampf persönlich zu stellen. Anders bzw. spieltechnisch ausgedrückt: wie viele Runden hat man Zeit um x Encounter (Aufgaben, i. d. R. Kämpfe) erfolgreich zu bestehen.

Der Goblin-King und seine Encounter
Die Karte zum Festhalten des Spielfortschritts

Wie spielt sich Too Many Bones?

Mechanisch bzw. von den Regeln her ist Too Many Bones wirklich sehr einfach gehalten. Grundsätzlich handelt man jeden Tag bzw. jede Runde eine Encounter-Karte ab. Hierauf wird jeweils das Abenteuer des aktuellen Tages vorgeben. Dies können verschiedene Aufgaben sein, aber i. d. R. stellt man sich einem Kampf. Oft werden einem hierbei zwei Optionen gegeben, die Auswirkungen auf die Schwierigkeit, aber auch auf die Belohnung haben.

Encounter – Fluff-Seite
Encounter – Aufgaben-Seite

Die Rahmenbedingungen des Kampfes werden durch die Karte vorgegeben. I. d. R. kämpft man gegen Baddie-Points + x. Die Baddie-Points skalieren quasi das Spiel. Die Punkte ergeben sich aus „Tag x Spieleranzahl“. Am vierten Tag einer Reise müsste man mit vier Spielern also gegen 16 Baddie-Points antreten. Die Baddies – also die Monster – sind in 1/5/20- Punkte eingeteilt, wobei die höheren Chips Priorität haben. Bei 16 Punkten würden also drei 5er und ein 1er Baddie im Kampf erscheinen. Diese bilden die sogenannte Baddie-Queue – hier reihen sich die Bösewichte ein und werden nach und nach auf das Spielfeld gebracht, wobei bis zu vier zum Kampfbeginn hier Platz finden. Im eben genannten Beispiel kommen also direkt alle Gegner ins Spiel. Bei 17 Punkten wäre noch ein 1er Baddie über, der später zum Kampf stößt. So wird die Herausforderung von Runde zu Runde größer, allerdings leveln die Gearlocks auch entsprechend.

Die Baddies

Je nach Eigenschaft der Gegner (Nah- oder Fernkämpfer) werden diese dann auf der Battlemat platziert. Auf den Chips der Baddies findet man alle weiteren relevanten Informationen: Lebenspunkte, Initiative, Angriffs- und Verteidigungswürfel, Zielpriorität sowie die Spezialfähigkeiten. Insbesondere die Spezialfähigkeiten bringen Würze in den Kampf und machen jedes Gefecht einzigartig. So gibt es zum Beispiel Baddies, die mehrere Gearlocks gleichzeitig angreifen oder diese vergiften können. Andere haben eine besonders dicke Haut und können so schwerer verwundet werden. Auf einer Übersicht sind all diese Stichworte übersichtlich zusammengefasst, so dass man jederzeit nachvollziehen kann, welche Fähigkeit der jeweilige Baddie hat.

Anschließend würfeln die Spieler ihren Initiative-Würfel und platzieren ihren Gearlock – und schon kann die erste Kampfrunde beginnen. Je nachdem wer nun gerade an der Reihe ist, wird zunächst der Gegner bestimmt und danach die entsprechenden Würfel geworfen. Anschließend wird der Schaden und evtl. Sondereffekte abgehandelt. So geht es Runde für Runde voran, bis entweder nur noch Gearlocks oder nur noch Baddies auf dem Spielfeld sind. Klingt simpel und nicht sonderlich aufregend. Aber durch die verschiedenen Fähigkeiten der Baddies und Gearlocks und insbesondere der zusätzlichen Würfel eines jeden Gearlocks, kommen so kleine, aber hoch taktische Schlachten zu Stande.

Die Battle-Mat

Wie spielen sich die Gearlocks?

An dieser Stelle macht es Sinn, sich einmal anzuschauen, wie sich die Gearlocks so spielen. Grundsätzlich hat jeder Gearlock vier identische Grundwerte, die auf der Matte angegeben sind – Gesundheit (Health), Geschicklichkeit (Dexterity), Angriff (Attack) und Verteidigung (Defense). Insbesondere die Geschicklichkeit ist hier interessant, da sie steuert, wie viele Würfel ein Gearlock in seinem Zug werfen kann. Diese können im Laufe des Spiels erhöht werden – und zwar durch Trainingspunkte, die man durch erfolgreiche Encounter bekommt.
Alternativ dazu – und das ist eigentlich das Salz in der Knochen-Suppe – kann man sich auch für einen Skill-Würfel entscheiden.

Die Grundwerte eines Gearlocks (Boomer)

Die Skill-Würfel unterscheiden letztendlich alle Charaktere. 16 verschiedene und individuelle Würfel bringt jeder Charakter mit. Es gibt verschiedene Farben bzw. „Skilltrees“, die man entwickeln kann. So gibt es beispielsweise Startfähigkeiten (Würfel), die man direkt für einen Trainigspunkt nehmen kann. Andere werden erst „freige-schaltet“, wenn schon ein anderer Würfel des „Skilltrees“ vorhanden ist. Zur Orientierung gibt es für jeden Charakter einen ausführlichen Charakterbogen, auf dem alle Würfel und deren Seiten erklärt sind.

Der Skill-Baum eines Gearlocks (Boomer)

Die meisten Effekte der Würfel werden sofort abgehandelt. Es gibt aber auch Würfel, die erst später ihren Effekt zum Tragen bringen. Diese werden in die „Active“- oder „Locked“-Slots der Spielermatte platziert. Unter anderem werden z. B. die Defence-Würfel hier platziert, wenn man Schilder geworfen hat. Diese werden dann, wenn man später angegriffen wird, genutzt, um Schaden abzuwehren.

Durch die ganzen Würfel sowie Sonderfähigkeiten spielen sich die Gearlocks wirklich komplett unterschiedlich. Neben dem obligatorischen Heilder und Bogenschützen gibt es z. B. auch Bastler, die entweder Bomben oder kleine Roboter basteln und damit auf dem Schlachtfeld auftrumpfen. Wiederum andere fungieren als klassischer Tank und „fressen“ Schaden für die Gruppe oder bringen Begleiter ins Spiel.

Übersicht der Skill-Würfel (Boomer)

Zu viele Knochen

Was hat es eigentlich mit den namensgebenden Knochen auf sich? Auf den meisten Würfeln sind auch Knochen zu sehen. Die Knochen (also Bones) sind beim Würfeln erst einmal ein Misserfolg. Als „Trost“ können die Bones im sogenannten Backup-Plan des kleinen Helden gespeichert werden. Diese können dann im weiteren Verlauf des Kampfes ausgegeben werden, um wiederum die verschiedenen Fähigkeiten des Backup-Plan des Charakters auszulösen. So hat man zwar im ersten Moment einen Fehlschlag zu verkraften, kann dafür aber
später eine vielleicht noch mächtigere Aktion auslösen.

Backup-Plan (Boomer)

Was passiert außerhalb der Kämpfe?

Zwischen den Encountern/Kämpfen können sich die Gearlocks heilen, die nächsten Gegner ausspähen, Beute tauschen oder nach besserer Beute suchen oder besondere Beute erst einmal aufknacken. Insbesondere werden hier aber die Trainingspunkte verteilt und die Weiterentwicklung des Charakters betrieben.

Bossfight

Wie es sich für eine anständige Abenteuer-Reise gehört, wartet am Ende des Weges (genügend Fortschrittspunkte innerhalb der vorgegebenen Zeit gesammelt), natürlich ein anständiger Bossfight. Der Tyrann verfügt über eine eigene Encounter Karte, die den Aufbau des finalen Kampfs vorgibt. Natürlich nimmt er selber am Kampf teil und mischt mit einem besonderen Würfel und besonderen Fähigkeiten ordentlich mit.

Spielgefühl

Wie gesagt: vom Grundsatz her ist Too Many Bones ein einfaches Spiel. Die vielen kleinen Sonderfähigkeiten und Würfel bringen aber eine Menge Komplexität ins Spiel. Man sollte nicht unterschätzen, dass man – insbesondere in den ersten Spielen – doch häufig Fähigkeiten und Symbole nachschlägt. Aber aufgrund der Übersichtlichen Hilfsunterlagen und der Charakterbögen artet das nicht in zu viel Arbeit aus.

Je nach Spieleranzahl und Endgegner variiert Too Many Bones in der Spiellänge. Alleine kann man das Spiel locker in 60 bis 90 Minuten spielen. Mit 4 Gearlocks und dann noch einem Engegner, der ein paar mehr Encounter verlangt, kann so eine Partie auch locker schon einmal 4-6 Stunden dauern. Insbesondere während der Kämpfe kann es schon einmal zu einer etwas längeren Downtime kommen. Bei 4 Spielern und 4 aktiven Monstern sind 7 Spielzüge zwischen den eigenen Aktivierungen. Aber Langeweile kommt dabei eigentlich
nicht auf. Da es ein kooperatives Spiel ist, ist man häufig auch in die Spielzüge der Mitspieler eingebunden und kann diskutieren, welcher Baddie z. B. der gefährlichste ist und als nächstes besiegt werden sollte. Das riecht natürlich etwas nach dem Alpha-Leader Problem und insbesondere in den ersten Partien ist das sicherlich auch so, dass der erfahrenste Spieler schon Ratschläge gibt, welches Monster z. B. schnell besiegt werden sollte. Aber i. d. R. wird der erfahrenste Spieler auch das „Management“ der Baddies übernehmen – und damit und seinem Charakter ist man eigentlich mehr als genug beschäftigt. Von daher hält sich das auch in Grenzen.

Auch außerhalb der Manöverkritik ist man eigentlich ständig mit kleinen Entscheidungen beschäftigt: Welchen Würfel nehme ich als nächstes für meinen Trainingspunkt? Welchen Wert verbessere ich? Welchen Baddie greife ich an? Was zur Hölle bedeutet nochmal dieses Symbol auf meinem Würfel?

Das Spiel bietet durch die Charakterentwicklung einen hohen Spannungsbogen. Man fiebert eigentlich konstant darauf hin weitere Trainingspunkte und somit neue Skill-Würfel zu erhalten. Es macht schon irre Spaß  verschiedene Kombinationen auszuprobieren und seine Mitspieler mit neuen Fähigkeiten und Aktionen zu überraschen. So kommt es auch dazu, dass man die kleinen Kämpfe auch verbissen versucht zu gewinnen – schließlich gibt es die Belohnung nur bei Erfolg.

Die Skalierung des Spiels ist außerdem ausgesprochen einfach, aber gut mit den BaddiePoints umgesetzt. So werden die Gegner von Runde zu Runde stärker – auf der anderen Seite wachsen die Gearlocks ebenfalls an ihren Aufgaben. Man sollte jetzt aber nicht erwarten, dass tatsächlich jeder Kampf knapp endet bzw. perfekt ausskaliert ist. Es ist und bleibt ein Würfelspiel. Es gibt zwar durch den Einsatz der Würfel und dem Backup-Plan genügend Einflussmöglichkeiten, allerdings kann es schon einmal passieren, dass man von zwei Gegnern angegriffen wird, bevor man an die Reihe kommt und somit den Kampf evtl. gar nicht erlebt. Aber so etwas kann
man oftmals durch geschicktes Aufstellen und Beachten der Initiative und Fähigkeiten umgehen.

Außerdem ist es immer wieder ein Vergnügen, dass Material zu bestaunen. Die NeoprenSpielmatten und PVC-Karten sind wirklich hochwertig und mal was anderes. Und wer darüber hinaus auch noch Würfel liebt, der wird sich nicht sattsehen können.

Wiederspielbarkeit

Die Wiederspielbarkeit ist groß. Wenn man alles zur Verfügung hat, dann müssen erst einmal zehn Gearlocks ausprobiert werden. Und am Ende des ersten Spiels hat man oft schon Ideen, was man beim nächsten Mal bei der Charakterentwicklung anders machen würde. Zudem gibt es diverse Monster und Encounter, die immer wieder ein anderes Spielerlebnis garantieren. Aufgrund der Fülle an Material und den hochwertigen Komponenten ist allerdings der Preis hierfür auch nicht gerade niedrig.

Solospiel

Too Many Bones ist eines der wenigen Spiele, die ich auch schon mehrmals solo gespielt habe. Und das klappt wirklich ganz wunderbar. Anhand der Baddie-Points schafft das Spiel einen guten Ausgleich, so dass man auch alleine klarkommt, allerdings spielen sich hier die Gearlocks doch recht unterschiedlich, so dass man mit einigen doch mal gehörig auf die Mütze bekommt.

Material

Ich hatte es eben schon kurz angesprochen: Das Material sucht Seinesgleichen. Ich habe bislang noch kein Spiel gesehen, dass so hochwertig produziert wurde. Die Matten sind aus Neopren, die Karten aus PVC, die Würfel und Chips hochwertig bedruckt. Das schlägt sich zwar auch im Preis nieder, aber hier bekommt man wirklich Qualität für sein Geld. Zudem sind die Komponenten gut durchdacht und es wurde auch an viele Kleinigkeiten gedacht. Jeder Gearlock bringt einen Charakterbogen mit, der z. B. alle Würfel zeigt und deren Symbole erklärt. Um diese dann besser zu finden, sind die Würfel nummeriert. Außerdem ist auf jedem Bogen auch eine Anfangsstrategie angegeben. So kommen auch Neulinge gut ins Spiel, da die ersten Entscheidungen abgenommen werden. Solche Kleinigkeiten machen einfach Spaß.

Fazit

Michi meint

Too Many Bones ist für mich eines der Highlights im letzten Jahr gewesen. Sowohl das Material als auch das Spiel an sich begeistern mich und andere immer wieder. Es macht immer wieder Spaß die Heldengruppe auf die Reise zu schicken und sich in die kleinen aber hoch taktischen Gefechte zu stürzen. Trotz einfacher Regeln bietet das Spiel ausreichend Herausforderung. Natürlich ist beim Wüfeln auch immer etwas Glück oder Pech dabei, allerdings bietet insbesondere der Backup-Plan einen schönen Ausgleich. Allerdings kann es auch mal
frustrierend sein, wenn man schon vor dem ersten eigenen Zug „umgehauen“ wird. Aber manchmal muss man auch einfach den Kopf hinhalten und sich für die Gruppe opfern – alles für Daelore, alles für den Club. Grundsätzlich wird aber durch das so einfache, wie geniale System der Baddie-Points schon eine gute Skalierung erreicht – meistens jedenfalls.

Für alle, die gerne würfeln, kleine taktische Duelle, eingebettet in einer größeren Story mögen und hochwertige Komponenten schätzen, ist Too Many Bones sicherlich ein Must-Have. Der einzige Haken an der Sache ist evtl. der doch recht hohe Preis. Allerdings ist er aufgrund der Qualität der Komponenten durchaus gerechtfertigt. Zumindest bekommt man hier etwas für sein Geld – wenn man es denn überhaupt loswerden kann – einige Komponenten sind nämlich regelmäßig ausverkauft. ChipTheory Games verkaufen ausschließlich über den
eigenen Shop und starten regelmäßig Kickstarter Kampagnen. Im weiteren Handel schaut man derzeit in die Röhre. Außerdem ist das Spiel nur auf Englisch erhältlich. Wen das alles nicht stört, der wird an Too Many Bones seine helle Freude haben.

 

Michi

Hallo, ich bin Michi, 1980 geboren und aus der Nähe von Bremen und relativ frisch hier dabei. Egal ob Eurogame oder feinster Ameritrash, ich mag Spiele, die auch eine Geschichte erzählen und ein cooles Thema/Artwork haben. Ich mag die Szene und den Umgang miteinander und hoffe euch hier gute Tipps geben zu können. Möge nicht nur mein Geldbeutel schrumpfen ;) Viel Spaß beim Lesen.

Passende Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"