Nachdem mit Azul das Spiel des Jahres gewonnen wurde war klar: Es gibt entweder eine Erweiterung oder eine Abwandlung des Spielprinzips. Mit Azul: Die Buntglasfenster von Sintra könnte man dem Namen nach eine Erweiterung vermuten, es ist aber ein neues, eigenständiges Spiel. Ob es an seinen Vorgänger heranreicht oder diesen sogar übertrifft, das wollen wir uns etwas genauer anschauen.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Azul
Im Vergleich Azul zu Azul 2 (Die Buntglasfenster von Sintra) fällt vor allem auf: Wir haben wieder Steinchen und Manufakturen, wir bauen wieder etwas und es geht um Siegpunkte.
Der grandios knifflige Auswahlmechanismus ist der gleiche. Dieses Mal optisch ergänzt um Hilfen für Farbenblinde – wobei ich mir mehr passende Farben für Farbenblinde wünschen würde, statt irgendwelcher Symbole. Einen Kniff gibt es aber, wir dürfen nicht überall bauen, sondern nur dort wo unser Glaser steht und rechts davon. Der Glaser wandert aber immer zu dem Fenster, welches man aktuell bestückt. Möchte man wieder weiter links bauen, muss man einen Zug aussetzen.
Statt Fließen legen verglasen wir Fenster. Statt in Zeilen diesmal in Spalten. Der Punktemechanismus ist etwas komplexer. Wertet man ein Fenster markiert man dies unter dem Fenster und dreht den Streifen des Fensters um. Zusätzlich bekommt man Punkte für jedes Fenster rechts davon, dass bereits vorher einmal gewertet wurde. Jeder Streifen hat zwei unterschiedliche Seiten. Wurden beide Seiten gewertet, kommt er weg und ist nicht mehr verfügbar. Ebenso sind die Streifen bei jedem Spieler zufällig angeordnet. So dass man eine ziemlich hohe Varianz in den Partien hat.
Zusätzlich gibt es Ornamente um die man herum bauen möchte – zumindest auf der A-Seite der Spielertableaus. Die B-Seite lässt diese vermissen, bietet dafür eine andere Endwertung.
Aus diesen Änderungen heraus ergibt sich, dass Azul: Die Buntglasfenster von Sintra durchaus etwas komplexer zu spielen ist, als das ursprüngliche Azul. Es gibt mehr Möglichkeiten, mehr zu bedenken und der Weg ist nicht mehr so eindeutig.
Spielgefühl
Wie bereits angesprochen: Azul 2 spielt sich anders. Es kombiniert bekanntes (der Auswahl-Mechanismus) mit neuem: Der Wertungs- und Legemechanismus. Dabei entstehen mehrere Dilemma, die das Spiel spannend machen: Der Glaser, welcher über die eigenen Glassteine läuft und damit die Möglichkeiten immer stärker einschränkt – bis man eine Runde aussetzen muss – sowie die Gestaltung der Streifen, welche wir bebauen. Wir brauchen nun ganz unterschiedliche Kombinationen von Farben. Das ergibt mehr Dynamik bei der Farbwahl und beschränkt es nicht mehr auf die Ansammlung von Farben.
Die Gefahr starke Minuspunkte zu bekommen ist gesunken, weil man mehr Möglichkeiten hat Steine zu legen. Diese strategisch gut zu platzieren und sich für weitere Züge gut aufzustellen, erzeugt aber schwierigere Entscheidungen als im Vorgänger.
Spielt es sich kniffliger? Ja und Nein. Die Entscheidungen sind schwieriger, können aber nicht so heftig wie in Azul 1 in die Sackgasse führen. Das gute Spielen wird kniffliger, das vor sich hinspielen sogar eher leichter.
Material
Man kommt bei Azul nicht daran vorbei, über das Material zu sprechen. Der Begriff Haptik war bei Azul in aller Munde. Auch Azul: Die Buntglasfenster von Sintra gibt Anlass, um über das Material zu sprechen. Verbesserungen im Vergleich zum Vorgänger sind der Turm für abgeräumte Steine – endlich braucht man den Deckel nicht mehr! Ebenso ist der Startspielermarker nun direkt ein Stein und kein Marker mehr (Hinweis: Ab der 2. Auflage von Azul war er auch dort ein Stein und kein Marker mehr).
Zwiegespalten bin ich bei den Steinen. Das durchsichtige farbliche Material der Steine (Fenster) sieht toll aus, aber in Summe wirken die Steine wie Lutschbonbons. Man bekommt beim Spielen irgendwie immer Hunger oder Lust auf Süßes. Bei Kindern würde ich wirklich aufpassen, dass diese nicht darauf rumlutschen! :)
Fazit
Die Entscheidung, welches der beiden Azul-Spiele nun das bessere ist, fällt mir nicht leicht und das zeigt doch eindeutig: Sie bewegen sich auf einem Niveau. Azul ist einfacher erklärt, was ich als extremen Vorteil empfinde und ein entscheidender Faktor für die große Verbreitung dieses Spiels sein dürfte. Da hat Azul: Die Buntglasfenster von Sintra also das Nachsehen. Anders sieht es beim Spielgefühl aus, da finde ich Azul 2 sogar etwas interessanter. Aber auch hier muss man differenzieren: Interessanter bedeutet: Interessanter für Spieler wie mich. Einen Viel- und Expertenspieler. Frage ich nun unsere 70 Jährige Tante würde das Urteil ganz anders aussehen. Und so bleibe ich dabei, keine Entscheidung zu treffen. Das passiert mir selten, da ich Spiele sonst sehr genau gegeneinander abwäge. Ich mag beide und möchte beide behalten. Spiele ich mit meiner Partnerin, hat Azul: Die Buntglasfenster von Sintra die Nase vorne. Nehme ich Azul mit zu Spieletagen, dann hat Azul 1 definitiv die Nase vorne. Der Turm für die Steine trägt übrigens seine Nuance dazu bei, dass ich Azul: Die Buntglasfenster von Sintra etwas mehr mag.
Michael Kiesling ist damit etwas gelungen, was ich nicht wirklich für möglich gehalten habe: Sehr änhliches Spiel – der gleiche Name ist durchaus gerechtfertigt – aber doch unterschiedliche Gründe es zu spielen. Chapeau Michael!