Willkommen in der prächtigen portugiesichen Stadt „Coimbra“. Die Universitätsstadt, die Stadt der Entdecker. Eine portugiesische Stadt die nicht direkt am Meer liegt (was das Cover vermuten lassen würde), aber Anschluss an die A13 und A31 hat. Moment, das ist hier ja gar nicht relevant. Ich schreib hier doch keinen Reiseführer sondern eine Spielerezension. Na gut. Schauen wir uns also Mal das Spiel hinter dem Namen an.
Eine Würfelgeschichte
Coimbra ist von den italienischen Autoren Virginio Gigli und Flaminia Brasini – richtig gelesen, keine Portugiesen, Italiener! Beide Autoren haben zusammen mit Lorenzo il Magnifico (Deutsch: Lorenzo der Großartige) bereits vor ein paar Jahren ein Diceplacement Spiel herausgebracht und Virgionio Gigli arbeitete zusammen mit Simone Lucani (Auf den Spuren von Marco Polo) an Grand Austria Hotel. Alle Titel haben gemein, das wir Würfel als Arbeiter einsetzen und dass die Augenzahl der Würfel etwas mit der Aktion zu tun haben (sonst bräuchten wir ja auch keine Würfel). Während bei Marco Polo noch jeder eigene Würfel hatte, führte Grand Austria Hotel das Draften der Würfel ein (auch wenn es bestimmt schon andere Spiele gab, die das ebenso getan haben, beziehe ich mich hiermit auf die beiden Autoren). Wenn man an Würfel und Einsetzen dieser denkt, kommt man an Stefans Feld die Burgen von Burgund nicht vorbei, welches sicherlich seinen Anteil daran hatte, Würfel in dieser Funktionsweise populär zu machen.
… und Coimbra schreibt die Geschichte fort
Coimbra nimmt die Würfel nun und lässt die Spieler diese draften. Geworfen werden sie nur einmal pro Runde für alle gemeinsam. Die Augenzahl ist nun zwiespältig, einerseits erlaubt eine hohe Augenzahl einen früheren Zugriff auf wichtige Karten, andererseits werden diese dadurch teurer. Knifflige Entscheidungen warten auf uns, die durch die Dynamik, dass jeder 3 Würfel aus dem Draft hat und diese nun reihum eingesetzt werden, nicht weniger knifflig werden. Setze ich die 3 nun hinter diese 4, könnte ein anderer Spieler noch eine 4, 5 oder 6, davor setzen. Aber welche Karten will dieser Spieler potentiell? Schnappt er mir meine Weg? Hab ich Ausweichmöglichkeiten? Was ist, wenn ich die Karte die übrig bleibt, nicht bezahlen kann?
Das ganze Dilemma weitet sich aus, wenn man betrachtet, dass die Reihen mit Karten und Effekten von oben nach unten abgehandelt werden. So kann man eventuell oben Ressourcen sammeln, die man unten zum bezahlen braucht. Doch geht das auf? Wird es einem weggeschnappt? In Coimbra sind die Würfel mittel zum Zweck große Dilemma und Abwägungen zu erzeugen. Was zu zweit noch überblickbar ist und damit Analyse-Spieler deutlich belohnt, wird zu dritt schon zu einer schweren Aufgabe (und sorgt daher für Analyse-Paralyse) und zu viert wird es zur Risiko Abschätzung. Die Möglichkeiten in ihrer Gänze zu Überblicken halte ich für nicht möglich.
Ein Scheideweg
Und hier steht Coimnbra am sprichwörtlichen Scheideweg. Es erweckt den Eindruck planbar, optimierbar und durchrechenbar zu sein. Und es ist es – bis zu einem gewissen Grad auch. Natürlich kann ich eine Strategie planen und Umsetzen. Durch das Einsetzen der Würfel und der Reihenfolge habe ich aber immer ein bisschen Salz in der Suppe und wenn es zu viel Salz wird, muss ich einen Plan B haben. Es führen also vermeintlich zwei Wege zum Ziel – mit unterschiedlichen Kosten. Wer in einer vierer Partie alles analysieren möchte, wird dafür sorgen, dass Coimbra zum letzten Mal auf den Tisch kam, wer geschickt mit Plänen hantiert und flexibel bleibt, hat gute Chancen, muss aber der Versuchung des sturren Optimierens widerstehen. Coimbra ist somit ein Stückweit die eigene Antithese. Zu viert mehr als zu zweit. Denn zu zweit ist es planbar, optimierbar, überschaubar und entfaltet so seine ganze strategische Tiefe. Wer also bestmöglich optimieren möchte, sollte das Spiel zu zweit spielen und kann dann in 45 Minuten ein super Spielerlebnis haben.
Drei Spieler ist der Mittelweg. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Optimierbar und doch wieder nicht. Es gibt selten ein Eurogame bei dem ich sagen würde: Zu dritt, spielen wir lieber etwas anderes. Zu unsicher ist der Weg, zu hoch die Versuchung zu grübeln.
Die Spielzeit
Machen wirs kurz: Zu zweit war ich im bestfall mit aus dem Bauch spielen in 45 Minuten durch. Zu viert haben wir auch schon gut 2 1/2 Stunden gebracht. Das ist eine krasse expontentielle Steigerung der Spielzeit und es hat keiner Ausgiebig gegrübelt. Gerade zu viert gibt es halt Züge, da muss man überlegen, wie man es macht, damit man überhaupt etwas bekommt. Plant das unter Beachtung dessen, was ich zu 2 bis 4 Spieler geschrieben habe mit ein!
Optik
BUNT! Coimbra ist ein eggertspiel bei dem man Mal wieder klar merkt, wer die Hosen an hat. Plan B Games. Ich mag experimente im grafischen Bereich. Ich mag es, wenn man Mal weg geht von Franz, Menzel und Co. (alle Meister ihres Fachs!), aber Coimbra übertreibt es meiner Meinung nach ein bisschen. Besonders die Reisestrecke ist teilweise unübersichtlich, da hätte eine klarere grafische Strukturierung gut getan. Die Karten hingegen, gefallen mir sehr gut und insgesamt ist das Material wirklich toll.
Amüsante Anekdote: Die Würfelhalter sind die Bauteile aus Porta Nigra, nur eben eingefärbt. Das da passenderweise perfekt ein W6 reinpasst hat mich durchaus amüsiert.
Der Illustrator Chris Quilliams scheint übrigens der neue Hausillustrator von Plan B Games zu sein. Das neue Camel Up, Blackout Hong Kong (da gibts Illustrationen? :P), Azul 1 und 2 aber auch das tolle Archipelago (ludically) kommen von ihm.
Punkte, Punkte, Punkte
An einem Punkt hab ich mich gefragt, ob das Spiel nicht vielleicht teilweise von Stefan Feld ist. Punkte gibt es für den Fortschritt auf 4 Leisten, Punkte gibt es für Expeditionen (besondere Endwertungen), Punkte gibt es durch Effekte während des Spiels, Punkte kann es fürs Reisen geben, Punkte kann es für das Sammeln von Kartenfarben geben oder für Karten bestimmter Wertigkeiten aber den Vogel schießen die Siegel ab. Auf den Karten können verschiedenfarbige Siegel abgebildet sein. Durchaus auch Joker-Siegel die als beliebige Farbe gelten. Ein Set aus 5 verschiedenen gibt 12 Punkte. Leider ist das sammeln dieser sehr unübersichtlich, wenn diese im eigenen Kartenstapel verschwinden oder sogar als Reiseplättchen auf dem Spielplan liegen. Meiner Meinung und der meiner Mitspieler hätte man dieses Element wirklich nicht mehr gebraucht. Denn Coimbra bietet auch so schon genug Anreiz zu sammeln, zu taktieren und Punkte zu machen.
Fazit
Puh. Coimbra macht es mir nicht leicht. Ich bin ehrlich, zu viert würde ich das Spiel eher meiden. Da gefällt mir als Person die Dynamik nicht, man mag es kaum glauben, aber ich mag es dann doch eher, wenn es berechenbarer ist. Zu Zweit in gut einer Stunde, das ist ein Spielerlebnis dem ich mich gerne widme und das tatsächlich einen Platz im Regal füllt, in dem es eine Überlebensgrundlage hat.
Ich mag die Möglichkeiten in Coimbra und empfinde es als spannend, neue Wege zu erkunden und die Auslage zu lesen. Welche Reiseplättchen liegen aus? Welche Expeditionen? Was lässt sich kombinieren. Wie kann ich mit möglichst wenig Kosten das Maximum herausholen. Zu zweit artet das auch nicht in Grübelei aus, sondern lässt sich entspannt ausprobieren. Heute reise ich viel, morgen konzentriere ich mich auf die Gelehrten und übermorgen sammel ich Spielende Bedingungen und nutz diese voll aus. Doch bei all den schicken Plänen hat Coimbra durch den Einsetzmechanismus genug Interaktion, so dass das Salz in der Suppe nicht komplett ausbleibt.
Wie werte ich nun? Es bekommt ein „gut“. Warum? Weil es mir zu viert zu unabwägbar ist, nahezu sperrig. Ich will zu einem gewissen Maß durchrechnen, schaffe es aber nicht. Zu Zweit entfaltet Coimbra seine komplette Eleganz. Würfel draften, Würfel setzen, Karte nehmen. Da ist dann auch das Set-Collection Element nicht mehr zu viel, sondern passt gerade noch rein.