Frei nach den Quacksalbern von Quedlingburg hat Wolfgang Warsch ein paar altbekannte Zutaten genommen und diese in seinem Kessel zu einem neuem Spiel zusammengemixt. Man nehme etwas Quacksalber von Quedlinburg, eine Prise 7 Wonders, ein paar Würfel, einen Schuss Deckbau und zur Abrundung noch einen Draftmechanismus. Abgeschmeckt wird das Ganze mit einem noch recht unverbrauchten Taverne/Bier-Thema. Herausgekommen ist hierbei ein wirklich „süffiges“ Spiel, das leicht heruntergeht und trotzdem ein vollmundiges Geschmackserlebnis bietet. Kurz gesagt: ein schönes und leicht bekömmliches Spiel.
Spielaufbau
Jeder Spieler erhält einen modularen Spielplan mit seiner Taverne und seinen Ausbauten, die erst einmal alle auf die noch nicht ausgebaute Seite gelegt werden. Dazu gibt es ein Startdeck, Würfel und die Marker in seiner Farbe. In die Mitte werden die Karten und das gemeinsame Spielbrett, auf dem die Runden festgehalten werden und sich die Mönchsleiste befindet, ausgelegt.
Wie spielt sich Tavernen im Tiefen Thal?
Das Spielprinzip ist recht einfach und schnell verstanden. Wie bei einem klassischen Deckbuilder erhält jeder Spieler ein Anfangsdeck und zieht dann Karten von seinem Nachziehstapel. Diese bekommt man allerdings nicht auf die Hand, sondern legt diese auf die entsprechenden Plätze in bzw. an seiner Taverne. Das wird so lange fortgesetzt, bis alle (anfangs drei) Tische der Taverne mit Gästen besetzt sind. Hier kommt ein bisschen Quacksalber-Feeling auf – nur das die Taverne zum Glück nicht explodieren kann :).
Nun werden pro Spieler vier Würfel geworfen und auf einem kleinen Bierdeckel vor sich abgelegt. Jetzt folgt der Draft und jeder Spieler nimmt sich einen Würfel und reicht den Bierdeckel im Uhrzeigersinn weiter – so lange, bis jeder vier Würfel genommen hat. Durch die evtl. vorher angelegte Karte der Kellnerin erhält man noch zusätzliche Würfel aus seinem eigenen Pool. Jetzt werden die Würfel den Aktionen auf dem Spielplan zugeordnet und somit entweder Gäste bedient, Bierlieferungen abgewickelt oder sich zum Beispiel auf der Mönchsleiste fortbewegt. Dies funktioniert, in dem die passenden Augenzahlen der Würfel den entsprechenden Slots auf der Taverne bzw. den ausgespielten Gästen zugeordnet werden.
Durch diese Aktionen generiert man entweder Geld oder Bier – quasi die beiden Währungen in dem Spiel. Über Geld kann man neue Angestellte (Karten für sein Deck) oder Ausbauten der Taverne, die einem Vorteile und Siegpunkte bringen, finanzieren. Mit Bier kann man neue Gäste anwerben – wer kommt nicht gerne mal auf ein Freibier vorbei? Durch beide Aktionen wird das Deck mit neuen Funktionen bzw. Karten erweitert und verbessert.
Modulares Spielerboard
Ein absolutes Highlight des Spiels ist das modulare Spielerboard. Nimmt man einen Ausbau an seiner Taverne vor, so kann man den entsprechende Teil umdrehen und mit der verbesserten Seite in seiner Taverne anlegen. So sieht man quasi auch, was man verbessert hat. Das ist wirklich schön und elegant gelöst.
Für jeden Ausbau erhält man zusätzlich einen Adeligen. Diese bringen am Ende – zusammen mit anderen Karten – einen Großteil der Siegpunkte ein. Die Adeligen werden wie Gäste behandelt, bringen aber im Laufe des Spiels nicht sehr viel Geld ein. Aber anders als z. B. bei Dominion, wo die Siegpunktkarten ja quasi das Deck verstopfen, blockieren die Adeligen das Deck nicht so stark, da sie sich – wenn man mehrere Adelige zieht – an einen Tisch setzen und somit nicht mehrere Plätze in der Taverne einnehmen.
Spielgefühl
Die Tavernen im Tiefen Thal spielen sich wirklich flott und angenehm „herunter“. Ein Großteil der oben beschriebenen Aktionen handeln die Spieler parallel ab. Nur das Auslösen der Aktionen, nimmt jeder Spieler einzeln nacheinander vor. Downtime gibt es dadurch kaum.
Ähnlich wie bei den Quacksalbern gibt es ein Tableau für die Rundenanzeige und auch hier wird man quasi in jeder Runde „belohnt“, indem man z. B. neue Karten bekommt. Dies trägt zum allgemein positiven Spielgefühl bei. Auch bei der Bewegung mit dem Mönch, erhält man Boni. So kann man fast in jeder Runde etwas Produktives machen und sein Deck verbessern.
Aber auch in der Taverne kann es mal – wie auch bei den Quacksalbern – zu einer frustrierenden Runde kommen. Wenn man direkt drei Gäste zieht und somit keine weiteren Karten ziehen kann, dann ergibt sich schon mal eine miese Runde und etwas Frust kann aufkommen. Genauso kann man zwar gute Karten haben, aber die Würfel fallen dann nicht so, wie man es gerne hätte oder der Mitspieler schnappt den heiß ersehnten Würfel vor der Nase weg. Durch den Deckbuilding- und Würfelmechanismus ist das Spiel natürlich recht glücksabhängig. Aber durch den Draft oder weitere Mechnismen, kann man das Glück auch etwas beeinflussen – so kann man z. B. mit Markern seine ausliegenden Karten wieder abräumen und das Aufdecken neu beginnen. Aber der Einfluss, den man hiermit ausüben kann ist für große Strategen natürlich nicht ausreichend – aber die Tavernen im Tiefen Thal sind auch wahrlich kein Strategiespiel.
Das Spiel funktioniert übrigens in allen Besetzungen gut. Die Interaktion beschränkt sich auf die Auswahl der Würfel und evtl. das „Wegkaufen“ einer Karte aus der Auslage. Ansonsten spielt hier jeder für sich.
Module
Sehr lobenswert ist der modulare Aufbau des Spiels. In der Basisversion sind die Tavernen noch fast im Familienspielbereich angesiedelt. Mich als Vielspieler langweilt es vielleicht sogar schon etwas. Aber dafür gibt es ja die verschiedenen – aufeinander aufbauenden – Module. Hierüber kommen neue Karten und Funktionen ins Spiel, die noch ein wenig mehr Tiefe in das Spiel bringen und weitere Handlungsmöglichkeiten schaffen – ohne das Spiel zu überfrachten.
So kommen in einer ersten Stufe Schnaps und Gaukler ins Spiel. Mit dem Schnaps kann man dann die Gaukler aktivieren, um mit ihnen Zusatzaktionen auszuführen.
Außerdem kann man noch eine Rufleiste hinzufügen. Hier wird die Bier- mit der Goldproduktion verglichen und um den kleineren Wert, schreitet man auf der Rufleiste voran. Hierüber gibt es wiederum Siegpunkte (Adlige) sowie weitere kleine Boni (z. B. Schnaps). Darüber hinaus kann über ein Startkarten-Set die Auswahl der Startkarten variiert werden. Als letztes Modul liegt für jeden Spieler noch ein Gästebuch bei. Hier kann beim Anwerben neuer Gäste ein Unterschriftsplättchen platziert und dadurch beim Vervollständigen einer Spalte/Reihe Siegpunkte bzw. Boni freigeschaltet werden.
Mit der Nutzung aller Module hat man dann ein Spiel, was sicherlich im unteren Expertenbereich angesiedelt ist und auch Vielspielern viel Freude bereitet.
Fazit
Mir gefallen die Tavernen im Tiefen Thal wirklich gut – man sollte aber zumindest einen Teil der Module mit einsetzen. Ehrlich gesagt wundert es mich etwas, dass dieses Spiel nicht auf der Nominiertenliste für das Kennerspiel des Jahres gelandet ist. Aus meiner Sicht eignet es sich hierfür hervorragend. Insbesondere für Spieler, die langsam vom Familienspielbereich in den Kennerspielbereich „aufsteigen“ wollen, finden durch das modulare System einen perfekten Einstieg bzw. Aufstieg. Aber auch ohne Pöppel kann ich das Spiel nur empfehlen.
Die Qualität des Materials ist wirklich gut. Das Modulare Spielerboard ist eine tolle Idee und macht was her. Die Karten sind etwas klein für einen „Deckbuilder“, aber für das Spiel vollkommend ausreichend, weil sie sich so gut in bzw. an die Taverne anfügen.
Mal abgesehen davon, dass man auch mal Pech haben kann und eine einzelne Runde mal wirklich unproduktiv ablaufen kann, sind die Tavernen für mich eher ein „Feel-Good-Game“. Man erhält ständig Belohnungen und kann fast immer etwas Sinnvolles machen. Durch das überwiegend parallele Spiel, gibt es quasi keine Downtime und die Spielzeit ist angenehm kurz. Durch die verschiedenen Module lädt es ein, direkt eine zweite Partie hinterherzuschieben und so die weiteren Facetten des Spiels kennenzulernen. Bislang kam das Spiel in
vielen meiner Runden gut an und wird auch in Zukunft sicherlich nochmal öfters auf den Tisch kommen.