Im Jahr 218 vor Christus bin ich von Iberia losgezogen mit Hannibal und seinen Elefanten in Richtung Rom. Habe die Stadt Massilia erfolgreich belagert und erobert. Nebenbei habe ich mir die politische Kontrolle von ganz Iberia geholt. Jetzt steh ich vor den Alpen. Auf meiner Hand eine perfekte Karte, der einheimische Führer. Er soll mich sicher
über die Berge bringen, mit so wenig Verlusten wie möglich. Das Problem liegt aber woanders, und zwar in Afrika. Der Römer nutzt seine Seehoheit gnadenlos aus und hat bereits vor einiger Zeit übergesetzt. Eine wichtige Schlacht habe ich in Afrika verloren. Immer mehr geht mein Einfluss auf diesem Kontinent verloren. Was nun? Mit Hannibal über das Meer nach Afrika und meine Armee in Karthago unterstützen? Gefährlich, jede Seebewegung des Karthagers ist aufgrund der römischen Hoheit auf dem Wasser ein Glücksspiel.Es droht der komplette Verlust der Armee. Also entscheide ich mich für den Angriff auf Rom! Der Weg über die Alpen zehrt an der Armee. Ein Fünftel übersteht den mühsamen Weg nicht. Trotzdem kann ich militärisch und politisch Einfluss in Italien gewinnen. In der Zwischenzeit habe ich eine epische Schlacht vor den Toren Karthagos gewonnen. Das Blatt wendet sich. Kurz vor dem Abgrund ziehe ich mich wieder hoch und setze den Römer massiv unter Druck. Ein direkter Angriff auf Rom wäre dumm, aber Stückchen für Stückchen bekomme ich mehr politische Kontrolle. Genau das bringt mir am Ende den Sieg. Nach circa fünf Stunden ohne Langeweile sehr befriedigend. Aber keine Angst, das Spiel kann man auch deutlich kürzer spielen…
Worum geht`s?
Hannibal & Hamilcar ist eine sogenannten Karten gesteuerte Konfliktsimulation, geläufiger ist der englische Begriff des Card Driven Game oder kurz CDG. Wohl der populärste Vertreter dieses Genres ist Twilight Struggle. Auch in Hannibal werden über die Karten Events ausgelöst und Einfluss ausgeübt. In dem Spiel kämpfen die Römer gegen Hannibal um die Vorherrschaft im Mittelmeerraum. Je nach Szenario wird eine bestimmte Anzahl von Runden gespielt. Wer am Ende die meisten Provinzen kontrolliert, gewinnt. Sollte Rom oder Karthago direkt erobert werden, so endet das Spiel direkt.
Spielkonzepte:
Hannibal & Hamiclar ist ein komplexes Spiel. Im nachfolgenden werden ich einzelnen Aspekte nur grob anreißen, ansonsten würde der Begriff „Wall of Text“ eine neue Bedeutung bekommen ;)
Spielbrett
Die Karte zeigt die fünf Regionen Italia, Africa, Iberia, Sicilia Corsica & Sardinia. Die Regionen sind wiederum in einzelne Provinzen unterteilt und die wiederum in mehrere Felder. Diese Felder dienen der Bewegung und für die Anzeige der Kontrolle über die jeweilige Provinz. Der Übersicht halber ist die Map geografisch nicht korrekt angeordnet, wirkt am Anfang etwas befremdlich, vergisst man aber ganz schnell beim Spielen. Wie bei vielen Wargames üblich, befinden sich auf der Map noch verschiedene Tabellen und Leisten, um den Spielfluss zu fördern. Insbesondere die Leiste für die Kontrolle der einzelnen Provinzen ist extrem hilfreich im Spiel.
Politische Kontrolle
Je nach Szenario sind bestimmte Felder bereits am Anfang des Spiels mit politischen Kontrollmarkern der jeweiligen Seite (Rom/Hannibal) belegt. Hat ein Spieler in einer Provinz die absolute (!) Mehrheit der Felder mit seinen Kontrollmarkern belegt, so kontrolliert er die Provinz. Während des Spiels legen die Spieler Kontrollmarker auf neutrale Felder oder drehen auch unter bestimmten Umständen gegnerische Marker auf ihre Seite. Diese ständige Einflussnahme auf die Kontrolle der Provinzen macht einen Kernaspekt des Spiels aus und ist im Prinzip unter dem Begriff „Area-Control“ zu fassen.
Generäle und Gefechtseinheiten
Jede Seite hat je nach Szenario verschieden Generäle zur Verfügung. Auf der Karthago-Seite ist natürlich unter anderem Hannibal vertreten und auf Römerseite kommt der berühmte Scipio Africanicus erst im Laufe des Spiels zum Einsatz. Die Generäle besitzen einen Strategie- und einen Gefechtswert, Hannibal zum Beispiel ist sehr stark und hat einen Wert von 1 – 4. Der Strategiewert ist relevant für das aktivieren und bewegen, während der Gefechtswert für viele verschiedene Aspekte im Kampfbereich angewendet wird. Die Soldaten, hier Gefechtseinheiten genannt (kurz GE), dienen natürlich in der Schlacht, sind aber auch essenziell bei der politischen Kontrolle. Ich darf nur Kontrollmarker des Gegners umdrehen, wenn sich auf dem Feld eine eigene GE befindet. GE können nur mit Generälen als Armee bewegt werden. Gleichwohl können sie aber ohne Probleme alleine auf Feldern liegen.
Strategiekarten
Das Herzstück des Spiels. In jeder Runde bekommen die Spieler 7-9 Karten verdeckt auf die Hand. Nacheinander wird jetzt abwechselnd immer eine Karte gespielt. Die Karten können wie bei den meisten Spielen dieser Art in verschiedenen Formen gespielt werden. Nutzt man den Strategiewert der Karte (1-3), so kann ich damit die Generäle aktivieren. Der Strategiewert der Karte darf nicht höher sein, als der Strategiewert des Generals. Hannibal kann also bei einem Strategiewert von 1 mit jeder Karte aktiviert und bewegt werden. Im Gegensatz dazu haben viele römische Generäle einen Strategiewert von 3 und können dann auch nur mit den selteneren 3er-Karten aktiviert / bewegt werden. Hier wird die militärische Überlegenheit der Römer ausgebremst.
Daneben findet man auf den Karten, wie bei solchen Spielen üblich, Events. Genau wie bei Twilight Struggle sind die Events immer einer Seite zugeordnet. Der große Unterschied zu dem Spiel aus dem Kalten Krieg besteht jedoch darin, dass das gegnerische Event nicht ausgelöst wird, wenn ich es ausspiele. Ich nutze dann schlichtweg nur den Strategiewert. Die Events selber sind relativ einfache und historisch eher ungenaue bzw. allgemein gehaltene Aktionen. Dadurch ist Gefahr eines spielentscheidenden Ungleichgewichts durch besonders starke Karten sehr gering.
Die Bewegung
Fast ein Drittel der Anleitung beschäftigt sich mit der Bewegung und all ihren Facetten. Es ist mit Abstand das komplexeste, aber auch das interessanteste Element des Spiel. Das Grundprinzip ist simpel: Ich aktiviere einen Anführer mit einer Strategiekarte und darf ihn dann vier Felder bewegen. Interessant wird es, wenn andere Armeen in der Nähe sind. Gegner können meine Bewegung abfangen und mich in einen Kampf nötigen. Armeen können Gefechten ausweichen, verfolgen, kleine Einheiten überrennen, Städte belagern, Pässe und Meerengen überqueren, Armeen aufteilen und und und. Einen besonderen Part nimmt die Seebewegung ein. Die Römer haben thematisch die Seehoheit, bei den Karthagern fährt bei jeder Seereise die Gefahr mit versenkt zu werden. Schön gelöst wird das im Spiel mit dem Würfeln gegen eine Tabelle, die verschiedene Faktoren wie verbündete und feindliche Häfen miteinbezieht. Insgesamt ein komplexes Bewegungssystem, das zig taktische Möglichkeiten zulässt.
Der Kampf
Für ein Wargame recht unüblich, ist der Kampf tatsächlich sehr simpel. Jeder Spieler bekommt eine bestimmte Anzahl von Gefechtskarten. Die Anzahl ist unter anderem abhängig von der Stärke des Anführers und der Armee. Auch verbündete Provinzen sowie erfolgreiches Abfangen bringen extra Karten. Die Gefechtskarten sind unterteilt in Karten mit Frontalangriff, Linke Flanke, Rechte Flanke usw. Der Angreifer spielt jetzt eine Karte und Gegner muss sie schlicht mit der gleichen Karte kontern. Kann er kontern, wird eine weitere Karte gespielt. Kann er die Gefechtskarte nicht mehr kontern, weil er die entsprechende Karte nicht mehr auf der Hand hat, verliert er den Kampf. Ziel sollte es also sein, mit so vielen Karten wie möglich in den Kampf zu gehen und damit die Chance zu erhöhen, eine Karte auszuspielen, die der Gegner nicht mehr auf der Hand hat.
Gibt es einen Verlierer, so würfeln zunächst beide (!) gegen die Aufreibungstabelle. Desto mehr Karten gespielt wurden, desto länger der Kampf also gedauert hat, desto mehr Einheiten verlieren beiden nach dem Kampf, je nach Würfelwurf. Diese geniale Mechanik ist erstens wunderbar thematisch und verhindert zudem auch in einem gewissen Rahmen das „rushen“ von großen Armeen. Erst danach würfelt der Verlierer der Schlacht noch einmal, um den endgültigen Verlust in seiner Armee festzustellen.
Szenarien
Das Szenarienbuch ist ein Geschenk des Himmels. Das original Szenario, der Zweite Punische Krieg, ist auch das längste Szenario. Episch und großartig. Aber nicht immer hat man fünf oder mehr Stunden Zeit für so ein Sitzung. Die Szenarien geben Abhilfe. Gespielt wird natürlich immer noch der Zweite Punische Krieg, aber man fängt an einem anderen, späteren Zeitpunkt an. So kann man locker das kürzeste Szenario in knapp 90 Minuten spielen.
Ein besonderes Szenario ist das Hamilcar Szenario. Dafür gibt es auf der Rückseite Spielbretts eine eigenständige Karte. Thematisch wird der Erste Punische Krieg mit Hannibals Vater, Hamilcar, behandelt. Das Szenario fügt den eh schon komplexen Regeln noch mehrere Seiten Regelstudium hinzu. Der Fokus liegt bei diesem Szenario auf dem Seekampf und ist nur erfahrenen Spielern zu empfehlen.
Regeln
In der Box dabei gibt es eine Schritt-Schritt-Anleitung mit speziellen mini Szenarien. Diese Tutorial ist nett gemacht, bietet aber keine Sicherheit danach das Spiel zu verstehen. Der Schritt vom Tutorial zum großen Spiel ist einfach noch zu groß. Das Regelbuch selber ist etwas unglücklich. Mir fehlt häufig eine logische Struktur. Andererseits versucht es, jede Eventualität abzubilden. Das Glossar ist leider viel zu klein, als das es helfen würde. Im Ergebnis wartet auf den Spieler eine Menge Regelstudium, bevor es es richtig fluppt. Die Erstpartie wird holprig sein, so oder so. Im Endeffekt ist das Spiel nicht kompliziert, wirklich nicht, aber man muss es halt wie bei vielen komplexen Spielen erstmal verinnerlichen.
Material
Kurz zusammengefasst: toll! Die Karte ist für mich das absolute Highlight. Ich liebe diese Pastelltöne. So schön sie ist, die Übersicht leidet etwas darunter. Nicht selten muss man dreimal hingucken, um eine bestimmte Provinz zu finden. Die Counter sind schön dick und auch die Karten sind nicht zu beanspruchen. Die Minis sind ok. Das ist hier ist kein CMON Spiel, trotzdem sehen sie schick aus. Ein weitere Augenschmaus sind die „Custom-Dice“. Diese, teils großen, speziellen Würfel machen eine Menge her und passen sich perfekt in das Spiel ein. Das Spielmaterial macht insgesamt einen sehr wertigen Eindruck und ist dem Preis angemessen.
Unterschiede zur alten Version
Das Original,Hannibal: Rome vs. Carthage ist bereits aus dem Jahre 1996. Die neue Version ist im Prinzip das fast gleiche Spiel mit besserem Material. Als erstes ist natürlich das wunderschöne Board zu nennen. Es hat eine andere Anordnung und ist deutlich größer. Die wunderschönen, dicken Würfel sind ebenfalls neu und ersetzen mehrere Tabellen der ersten Version. Auch gibt es neue Strategiekarten und kleinere Regelanpassungen. Hinzugekommen sind die Szenarien, insbesondere das Hamilcar Szenario mit eigener Karte und umfassenden zusätzlichen Regeln.
Fazit
Episch! Ich glaube, das trifft es am besten. Dieses Zwei-Spieler Monstrum bietet alles, was das Wargamer-Herz begehrt. Eine wunderbare Kartenmechanik gepaart mit komplexen Bewegungsmöglichkeiten, die u.a. mit Abfangen und Verfolgen ein immense Tiefe erzeugt. Das Urspiel hat zig Jahre auf dem Buckel und ja, man merkt es dem Spiel teilweise an. Es gibt modernere und auch komplexere „Card-Driven“ Spiele. Aber sind die dadurch besser? Für mich nicht. Komplexer heißt nicht immer besser. Hat man einmal die Regelhürde genommen, kann man die Anleitung fast zur Seite legen im Spiel. Ok, die erste Hürde ist nicht ohne, zumal der Anleitung einfach eine bessere Struktur und ein vollständiges Glossar fehlt. Auch die Spielhilfen bestehen fast nur aus Fließtext, das geht besser! Trotzdem kann ich nur jedem raten sich da durchzubeißen. Was man am Ende an Spielspaß bekommt, gleicht die Mühe mehr als aus.Insbesondere die kurzen Szenarien haben mir gefallen. Man braucht nicht unbedingt einen ganzen Abend einplanen, man kann einfach nur 1-3 Stunden ein Szenario spielen. Trotzdem bleibt natürlich die komplette epische Kampagne das Maß aller Dinge.
Wargames sind meist sehr thematisch. So auch hier. Die Konsule des Römers werden jedes Jahr ausgetauscht, genau wie es wirklich war. Rom hat die Seehoheit, desto länger die Kämpfe dauern, desto mehr Verlust auf beiden Seiten und und und. Das Spiel trieft vor Thematik und genau das liebe ich. Solch eine Komplexität gepaart mit Thematik findet man nur im Wargame Sektor.
Bei asymmetrischen Spiele muss man immer auf das Balancing schauen. Am Anfang glaubt man zwar, dass die Römer mit ihrem militärischen Übergewicht einen deutlichen Vorteil haben, doch das täuscht. Die Karthager haben mit Hannibal den stärksten General von Anfang auf dem Feld, der quasi mit jeder Strategiekarte aktiviert werden kann. Ein Ungleichgewicht konnte ich in meinen Partien nicht entdecken.
Was gefällt nicht? Die Regeln könnten besser sein, keine Frage. Richtige Schwächen hat das Spiel selber für mich nicht. Bei uns ist es einmal vorgekommen, dass die letzten beiden Runden sich auf stumpfes Politmarker herumdrehen beschränkt haben. Der Grund war ein epische Schlacht in der Runde davor, die die militärischen Gegebenheiten deutlich geklärt hat. So etwas kann definitiv öfter vorkommen. Auch mit den Minis bin ich nicht zufrieden. Sie sehen schick aus, der Übersicht dienen sie aber nicht. Insbesondere das Suchen der neuen Konsuln jede Rund nervt irgendwann. Standees wären hier die bessere Wahl. Die gibt es leider nur optional zu kaufen. Mit wäre es umgekehrt lieber gewesen. Aber heutzutage muss eine Kickstarter Kampagne wohl Minis habe… Das Artwork der Karten ist ok. Es geht mir ein ganz klein bisschen zu weit in die Comic Richtung. Hier hätte ich lieber etwas raues, schmutziges gehabt, so wie man es zum Beispiel auf dem genialen Cover der Box sieht.
Trotzdem, der Gesamteindruck ist fantastisch. Es gibt nicht viele Wargames auf Deutsch, hier ist eins und was für eins.Eine absolute Kaufempfehlung!