Rezensionen

Rezension: Flügelschlag

Flieg Hypelein Flieg!

Es lebe der Hype!

Der Rummel um dieses Spiel war / ist schon enorm. Das erste, was ich von Flügelschlag gehört habe, war die Tatsache, daß es ausschließlich von Frauen entwickelt worden ist und bei Stonemaier erscheint. Kurz danach sah ich das Cover und dann war auch ich interessiert. Ein wunderschöner gezeichneter Vogel ist auch wirklich nicht so häufig auf einer Spieleschachtel zu finden. Dann kam kurz vor Release das Interview mit der Autorin in der New York Times (klick mich) und der Hype war geboren. Die erste Auflage war ratzfatz ausverkauft und bei eBay in den USA wurden Exemplare für mehrere 100 $ angeboten. Mit über 4000 Ratings bei bgg schoß es in die Top 100 und ist aktuell auf Platz 80 (Stand Anfang April). Das totale Überspiel?

Mechanik

Flügelschlag ist ein sogenannter Engine Builder mit Karten. Wir legen Karten aus und versuchen, mit verschiedenen Kombinationen Synergieffekte zu generieren. Desto länger das Spiel, desto mehr Vögel,  desto stärker die Effekte.

Bei Flügelschlag „locken“ wir die Vögel in unser Habitat, indem wir sie ausspielen. Jeder Vogel braucht aber eine bestimmte Art von Futter, das wir zusätzlich besitzen müssen, damit der Vogel sich bei uns niederlässt. Unser Habitat ist in drei verschiedene Zonen unterteilt: Wald, Wiese und Tümpel. Manche Vögel dürfen nur in den Wald, manche nur in die Wiese, manche nur in die Tümpel und manche können in allen Zonen sesshaft werden. Ausgelegt werden die Vögel von links nach rechts. Das ist wichtig, weil diese drei Zonen verschiedene Aktionsmöglichkeiten bieten. Desto mehr Vögel in einer Zone ausliegen, desto stärker der Effekt. Pro Zug entscheidet man sich für eine Aktion. Im Wald gibt es Futter, in der Wiese gibt es Eier und im Tümpel gibt es neue Vogelkarten. Eier sind ein wesentliches Element im Spiel, sie dienen nicht nur als Punktelieferant am Ende des Spiels, sondern sind auch ab dem zweiten Vogel in einer Zone notwendige Ressource, um den Vogel überhaupt auszuspielen.

Eier, wir brauchen Eier – Oliver Kahn

Sobald ich eine Zone / Reihe aktiviere, werden, nachdem ich die Aktion ausgeführt habe, die Fähigkeiten der Vögel in dieser Reihe ausgelöst. So versucht man die Vögel mit ihren Fähigkeiten möglichste effizient in eine Reihe zu legen, um den größtmöglichen Ertrag zu haben. Das ganze geht vier Runden, dann wird zusammengerechnet. Vögel bringen Punkte, genau wie Eier und bestimmtes Futter. Daneben gibt es Rundenziele sowie Auftragskarten, die am Ende ebenfalls abgerechnet werden.

Die Vögel

Vögel gibt es eine Menge in diesem Spiel. Alles übrigens amerikanische Vögel. Ich kannte maximal eine Handvoll. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der Siegpunkte sowie durch verschiedenen Fähigkeiten. Fast alle Vögel haben eine bestimmte Fähigkeit. Jedoch ist die Anzahl arg begrenzt. Im Prinzip sind es knapp über eine handvoll verschiedener Fähigkeiten, die sich auf die Vögel verteilen. Zusätzlich gibt es auf den Vogelkarten noch verschiedene Nestarten (wichtig für Rundenziele und Auftragskarten), die unterschiedlich viele Eier auf ihrer Karte lagern können.

Spielablauf

Also los, Vögel anlocken! Am Anfang versuche ich schnell einen Vogel auszupielen, mit dem Startfutter und den Startvögeln kein Problem. Aber wie fange ich an? Die Startkarten und die Karten in der Auslage geben eine mögliche Richtung vor. Erstmal um Futter kümmern. Also spiele ich einen Waldvogel und verbessere damit meine Futteraktion. Auch den nächsten Vogel packe ich in den Wald. Jetzt bekomme ich schon zwei Futterplättchen aus dem Vogelhäuschen. Zudem bringen die beiden Vögel bei mir im Wald extra Futter bei Aktivierung. Die Engine hat begonnen… Darauf kann man aufbauen, aber ich brauche mehr Vogelkarten, also gucken, wie ich an Wasservögel komme. Oder sollte ich doch erst das Eierlegen pimpen? Schließlich brauche ich diese, um weitere Vögel im Wald anzulegen. Ich entscheide mich für die Eier und somit für einen Graslandvogel. Dieser bringt zudem extra Eier bei Aktivierung. Engine Building und so. Langsam sollte ich auch mal auf das Rundenziel gucken. Die Punkte durch die Ziele waren bei uns oft das Zünglein an der Waage. So geht es vier Runden lang, immer mehr Vögel liegen auf dem Brett, das aktivieren der Vögelwird durch die Kombos immer lukrativer. In der letzten Runde bleibt meistens nicht mehr allzuviel zu tun. Meistens werden dort schlicht Eier für Punkte gelegt. Eine klare Schwäche des Spiels, doch dazu mehr im Fazit.

Komponenten und Artwork

Wunderschön! Richtig, richtig gut alles. Die Box ist eine Augenweide, das Artwork der Vögel fantastisch. Das Vögelhäuschen als Würfelturm für die Futterwürfel ist richtig toll! Selbst die Anleitung fühlt sich hochwertig an, ich habe mir sagen lassen, das nennt man Linnen. Alles passt zudem super wieder in die Schachtel. Was man hier für circa 40 Euro an Material erhält ist aller Ehren wert. Nix ,aber auch gar nix zu meckern hier.

Spieleranzahl

Hier muss ich einfach mal ein paar mehr Worte zu verlieren. Auf der Schachtel steht 1-5. Achtmal habe ich es bis jetzt gespielt. Dazu eine Solo-Partie. Hier gibt es wieder die Stonemaier typischen Automa-Karten. Funktionieren tut es. Mich lässt es wie jedes Solo-Euro gelangweilt zurück. Freunde davon werden aber zufrieden sein. Gespielt habe ich es zu zweit, dritt und zu viert. Zu fünft kam es nicht auf den Tisch und wird es auch niemals. Zu viert ist es schon arg grenzwertig was Downtime und Gesamtspielzeit angeht. Wir reden hier von einem unterem bis mittlerem Kennerspiel. Eine Spielzeit von 2 Stunden und höher trägt dieses Spiel nicht. Spaß hat es mir zu viert nicht richtig gemacht. Am besten zu zwei oder zu dritt. Wie man auf diese Schachtel 1-5 schreiben kann, ist für mich unverständlich und hat seinen Ursprung wahrscheinlich irgendwo in den Tiefen des Marketings von Jamey Stegmaier.

Fazit:

Gunnar meint

Um die Frage vom Anfang direkt zu beantworten: Nein, für mich ist es kein Überspiel und der Hype ist übertrieben. Aber, jetzt kommt das große aber: Es ist ein gutes Spiel und es macht Spaß! Gerade die ersten Partien waren großartig. Das Spiel hat einen extrem hohen Aufforderungscharakter. Jede Partie verläuft vor allem anders, was mir besonders gut gefallen hat. Manchmal gibt es Futtermangel, weil kaum Vögel aus dem Wald erhältlich sind, manchmal gibt es einen Überschuss und so weiter und sofort. Eigentlich gleicht wirklich keine Partie der anderen. Thematisch ist es ein zweischneidiges Schwert. Bei manchen Sachen kommt das Thema schön durch, wie zum Beispiel bei den Raubvögeln oder den Geiern, auf der anderen Seite ist der größte Teil schon recht mechanisch. Toll fand ich den kurzen Fluff-Text auf den Vogelkarten, die eine kurze Info über die entsprechende Art wiedergaben.

Mit steigender Anzahl von Partien wurden aber auch immer mehr die Schwächen deutlich. Es gibt unzählige Vögel, doch die unterschiedlichen Fähigkeiten sind auf ein paar wenige begrenzt. Hier hätten ein paar mehr unterschiedliche Eigenschaften Wunder gewirkt. Natürlich gewährleiste ich mit wenig verschiedenen Fähigkeiten das Balancing. Race for the Galaxy bietet in dieser Hinsicht definitiv mehr. Bestimmt etwas für kommende Erweiterungen, die es höchstwahrscheinlich geben wird.

Des Weiteren ist das Punkten mit den Eiern, insbesondere in der letzten Runde, tatsächlich ein Problem. In den meisten Fällen ist das Rundenziel schon abgefrühstückt, so dass die einzige, beziehungsweise die beste Möglichkeit war, Eier zu legen, um plump an Punkte zu kommen. Das macht das Spiel nicht kaputt, aber es wirkt so lapidar und billig. Es ist schade, weil gute Spieler darauf hinarbieten können und die Mechanik quasi pervertieren können, indem sie den Fokus auch schon vorher auf die Eierproduktion setzen. Für mich ein klarer Designfehler. Auch in meinem Umfeld habe ich genau das mehrfach gehört.

Nichtsdestotrotz bleibt es für mich ein gutes Spiel. Das Material ist wunderschön und es macht Spaß mit den toll gezeichneten Vögeln eine Engine zu bauen. Jede Partei läuft, bis auf das eben genannte Problem, anders. Spielen werde ich es aber nicht mehr mit mehr als drei Spielern. Dann spiele ich lieber etwas anderes.

Wir haben außer in einer Partie immer mit der interaktiven Seite der Rundenziele gespielt. Die andere Seite macht das Spiel noch solitäterer als es eh schon ist. Mit der interaktiven Seite schaue ich immer zu meinem Gegner und und passe meine Aktionen an, um die Rundenziele zu erreichen.

Flügelschlag ist kein Blender, aber auch nicht der neue Stern am Brettspielhimmel. Einfach ein gutes Spiel.

Gunnar

Baujahr 76 mit Leidenschaft zu komplexen, thematischen, interaktiven Euros und Wirtschaftsspielen. Sehr gern auch im Bereich der historischen Konfliktsimulationen und 18xx unterwegs.

Passende Beiträge

2 Kommentare

  1. Sehr gut nachvollziehbare Rezension von Gunnar! Danke! – Ich denke, das Problem mit der Ausrichtung auf das lapidare Eierlegen lässt sich möglicherweise durch eine geringfügige Modifikation der Spielregeln leicht beheben. Man könnte etwa am Spielende nicht für jedes Ei einen Punkt geben, sondern bloß pro 2 Eier einen Punkt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"