Als ich Spirit Island auf dem Pegasus Presssetag 2018 spielte, kam es ja alles andere als gut weg. Zu anstrengend, zu viel arbeit, zu verkopft. Das war mein Ersteindruck. Und ich konnte mit diesem Eindruck nicht falscher liegen.
Ja Spirit Island ist ein komplexes und anspruchsvolles Spiel und ja, man muss in Ruhe in die Regeln und das Spielsystem reinfinden. Hat man diese, nicht allzu große Hürde aber genommen, wird man mit einem einzigartigen kooperativen Spielerlebnis belohnt.
Doch worum geht es?
Wir sind Naturgeister auf einer Insel mit friedlicher indigener Bevölkerung – den Dahans. Die Dahans und wir leben in Einklang und Frieden miteinander. Bis dieser Frieden gestört wird – von bösen europäischen Invasoren. Entdecker schimpfen sie sich. Hier gibt es nichts zu entdecken und sollten sie der Insel irgendwie schaden, werden wir Leid über sie bringen. Sie haben ja keine Ahnung, wie mächtig die Kräfte der Natur sind.
Mechanik
Wir spielen also Naturgeister und wollen die Invasoren verjagen. Dazu gibt es zwei Siegbedingungen: Entweder wir machen ihnen so viel Angst, dass sie freiwillig nie wieder kommen, oder wir vernichten sie so effektiv, dass sie ebenfalls unsere Insel und die lieben Dahan in Ruhe lassen. Dazu haben wir einen Inselspielplan auf dem sich alles abspielt. Auf diesem Spielplan liegt unsere Präsenz (Orte von denen aus wir aktiv werden können), die friedlichen Dahan und die Invasoren mit ihren Entdeckern, Siedlungen und Städten sowie die Ödnis, welche diese in unserem Land hinterlassen.
Jede Runde wirken die Geister ihre Fähigkeiten. Diese haben sie auf der Hand und sie sind weg, wenn sie gespielt wurden, bis man sie sich wieder holt. Wie viele Fähigkeiten pro Geist gespielt werden dürfen und können beschränken ein Fähigkeiten Limit sowie die Energie, welche die Kosten darstellt. Jeder Geist produziert jede Runde Energie, mit welcher er seine Fähigkeiten bezahlen muss. Der Kniff an Spirit Island sind nicht nur die individuellen Fähigkeiten, es ist besonders das Timing. Denn eine Runde ist dreigeteilt. Erst aktivieren die Geister ihre schnellen Fähigkeiten, dann sind die Invasoren dran, dann aktivieren die Geister ihre langsamen Fähigkeiten. Das bedeutet, mit langsamen Fähigkeiten kann man nicht verhindern, dass die Invasoren etwas tun – so ein Mist!
Damit die Invasoren planbar bleiben, werden diese durch Karten gesteuert. Es gibt eine Reihe Karten, durch welche man durchläuft. Die erste Karte bestimmt, wo die Invasoren Wüten – d.h. Schaden verursachen. Die nächste Karte wo sie bauen / sich vermehren und die letzte Karte – die einzige Unbekannte – wo neue Invasoren hinzukommen (Entdecken). Nachdem diese Schritte durchgeführt wurden, rückt jede Karte einen Schritt weiter. Dort wo gebaut wurde, wird nun gewütet, dort wo entdeckt wurde, wird nun gebaut.
Die Fähigkeiten der Geister belaufen sich auf Schaden und verschieben von Figuren auf dem Spielplan in unterschiedlichen Variationen, mit unterschiedlichen Stärken und Bedingungen, sowie auf unterstützende kooperative Effekte wie z.B. jemandem Energie geben, Karten wiederholen lassen oder Fähigkeiten schneller machen.
Im Grunde versuchen wir also mit allen Mitteln zu verhindern, dass neue Invasoren auf unsere Insel kommen um die bereits vorhandenen zu vertreiben. Dabei ergibt sich eine große komplexe Aufgabe. Für mich ist diese Aufgabe so komplex, dass ich froh bin Mitspieler zu haben, die mit überlegen können.
Spielgefühl / Fazit
Spirit Island ist ein Brocken. Eine riesige komplexe Aufgabe. Doch sie ist nicht unlösbar. Während man am Anfang einer Partie das Gefühl hat, dass man keine Chance hat, lösen sich die Probleme Stück für Stück auf. Doch bis dahin ist es ein weiter, mitunter anstrengender Weg. Alpha-Spieler haben hier nahezu keine Chance. Ich halte die Komplexität dieses Spiels für zu hoch, als dass eine Person die Möglichkeiten mehrerer Spieler überblicken kann. Natürlich hat Mal einer mehr und Mal weniger Überblick, aber am Ende der Partie mussten alle zusammenarbeiten um zum Ziel zu kommen.
Der Spielspaß entsteht aus dem knobeln. Aus der Komplexität der Aufgabe. Wer nicht gerne knobelt, wird an Spirit Island wenig Spielspaß finden.
Dabei ist Spirit Island auch noch hoch variabel. Die unterschiedlichen Geister, die unterschiedlichen Fähigkeiten und dann noch mehrere Möglichkeiten den Schwierigkeitsgrad anzupassen bieten nahezu unendlichen Widerspielreiz, sofern die Mechanik ansich nicht abgenutzt wird. Das wissen die unterschiedlichen Geister sowie die bald kommende Erweiterung aber zu verhindern.
Die Optik trägt auch zum Spielgefühl bei und in diesem Fall positiv wie negativ. Der Spielplan ist auf der einen Seite hässlich und auf der anderen Seite unübersichtlich (doppelseitiger Spielplan). Die Fähigkeitskarten sind aber grandios umgesetzt übersichtlich und hübsch, so stelle ich mir das vor. Die redaktionelle Überarbeitung der deutschen Version hat ebenso ein Lob verdient. Die Anleitung ist übersichtlich und außerordentlich verständlich. Ich kann nur erahnen, was da an Zeit und Arbeit reingeflossen sein muss.
Spirit Island hat bei mir Pandemie vollständig abgelöst. Wer ein großes kooperatives Spiel ohne Alpha-Leader sucht, das hoch variabel ist und dazu noch ein gänzlich neues und unverbrauchtes Thema behandelt. Alle Daumen hoch für Spirit Island!