Kolumnen

Kinderspiele nach erwachsenem Vorbild

Catan, Stone Age, Zug um Zug – viele erfolgreiche Brettspiele haben einen Kinderspiel-Ableger. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Einerseits kann die Fangemeinde den eigenen Nachwuchs früh an ihr Lieblingsspiel heranführen. Andererseits kann der Verlag – direkt durch das Kinderspiel, indirekt durch die hoffentlich langfristige Begeisterung für das zugrundeliegende Konzept – die Marke stärken und die Verkaufszahlen steigern. Doch, wer selbst mit Kindern spielt, weiß, dass ein gutes Familien- oder Kennerspiel nicht automatisch ein gutes Kinderspiel hervorbringt.

Angeregt durch einen Podcast und aus einer nostalgischen Laune heraus habe ich vor gut drei Monaten Catan Junior gekauft. Seither haben mein sechsjähriger Sohn und ich das Spiel genau zweimal auf dem Tisch gehabt. Trotz meiner Begeisterung hat es bei ihm nicht gezündet. Die Hauptmechanismen – Würfeln, Tauschen, Kaufen, Bauen – üben (bisher) schlicht keinen Reiz auf ihn aus. Und die Räuberfigur des Kinderspiels, Käpt’n Klau, empfindet er als ungerecht. Da hilft auch die liebevolle Gestaltung nicht.

Wirft man einen Blick auf die Kinderspiele des Jahres seit Einführung des Kritikerpreises 2001, hat es nur ein Spiel mit erwachsenem Vorbild zum Titel geschafft: Stone Age Junior. Selbst unter den Nominierten finden sich weder Carcassonne Junior noch Zug um Zug – Meine erste Reise, um nur zwei sehr bekannte Namen herauszugreifen. Wodurch hebt sich Stone Age Junior also ab? Und welche positiven Beispiele gibt es noch?

Stone Age Junior

Stone Age Junior Cover - Hans im Glück
Stone Age Junior Cover – 2 bis 4 Spieler, ab 5 Jahren, ca. 15 Minuten, Hans im Glück

Aufbauend auf die Geschichte der Steinzeitkinder Jono und Jada sammeln wir in Stone Age Junior Beeren, Mammut-Stoßzähne, Pfeilspitzen, Tonkrüge und Fische. Wenn nötig und möglich tauschen wir sie am Fluss gegen fehlende Waren. Und wenn wir alles Nötige beisammenhaben, laufen wir zum Bauplatz und errichten neue Hütten. Dabei helfen Hunde, die als treue Weggefährten einzelne Waren ersetzen können. All das wäre nicht weiter spannend, hätte Autor Marco Teuber unseren Kindern nicht ein so einfaches wie geniales Mittel gegeben, aus eigener Kraft gegen die erwachsenen Mitspieler zu gewinnen.

Wir kennen das alle: Natürlich müssen Kinder auch lernen zu verlieren, aber es gibt regelmäßig Situationen, in denen wir sie aus unterschiedlichsten Gründen gewinnen lassen. In Stone Age Junior ist das in der Regel nicht nötig. Denn um den Spielplan herum liegen verdeckt Plättchen, auf denen sowohl Würfelwerte als auch Symbole für die verschiedenen Orte des Spielplans abgebildet sind. Wer ein Plättchen aufdeckt, bewegt seine Figur entsprechend viele Felder weit oder direkt an den abgebildeten Ort. Kommt eine Figur auf den Bauplatz, werden alle Plättchen zugedeckt und zwei von ihnen vertauscht. Durch diesen Memory-Mechanismus habe ich selbst gegen unseren Vierjährigen, der für das Spiel offiziell noch zu jung ist, keine Chance. Und gerade deshalb macht es auch mir als Erwachsenem trotz seiner Einfachheit Spaß.

Marco Teuber hat sich getraut, Stone Age für die junge Zielgruppe nicht nur auf einzelne Elemente des Erwachsenenspiels zu reduzieren und so einfacher zu machen. Er hatte auch den Mut, einen neuen zentralen Mechanismus einzuführen und sich so noch weiter vom Original zu entfernen. Dafür wurde er in meinen Augen zurecht mit dem Kinderspiel des Jahres 2016 geehrt. Denn gerade dieser Kniff macht Stone Age Junior zu einem hervorragenden Kinderspiel.

Concept Kids – Tiere

Concept Kids: Tiere Cover - Repos Production, asmodee
Concept Kids: Tiere Cover – 2 bis 12 Spieler, ab 4 Jahren, 20+ Minuten, Repos Production, asmodee

Einen ganz anderen Weg haben Alain Rivollet und Gaëtan Beaujannot gewählt. Aufbauend auf ihr Spiel Concept, in dem nur durch das markieren von Symbolen und ohne Worte Begriffe erklärt werden müssen, haben sie Concept Kids – Tiere entwickelt. Dabei besteht der Unterschied hauptsächlich in der Einengung auf ein Thema und den darauf angepassten Spielplan. Außerdem werden die Hinweise nicht in unterschiedliche Kategorien unterteilt, sondern alle mit den gleichen orangen Kunststoffrahmen hervorgehoben.

Offiziell erklären alle Kinder einem Erwachsenen gemeinsam – ohne einen Mucks zu machen – zwölf Tiere. Die Realität sieht, zumindest bei uns, häufig anders aus. Die Begrenzung auf zwölf Tiere halten wir nur selten ein. Die Sache mit dem Schweigen klappt auch nur in Ausnahmefällen. Aber trotzdem macht das Spiel der ganzen Familie großen Spaß. Die Kinder rufen: „Aber das ist doch einfach!“ Die Erwachsenen fragen irritiert: „Aber wo lebt das Tier denn? Hat es einen Schnabel? Kann es schwimmen?“ Und alle ärgern sich, wenn Papa mal wieder auf dem Schlauch steht.

Das einzige kleine Manko sind einige wenige Farbillustrationen, nach denen die Kinder die Tiere beschreiben. Nicht jeder erwartet bei der Farbe Weiß eine Ratte oder ein Kaninchen. Es empfiehlt sich aber ohnehin, die Karten zu Beginn auf die Tiere einzugrenzen, welche die Kinder selbstständig erkennen können – unabhängig von ihrem Schwierigkeitsgrad, der durch einen blauen oder roten Rahmen vorgegeben wird.

Trotz dieses kleinen Kritikpunkts war Concept Kids – Tiere besonders in der Anfangszeit ein Dauergast auf unserem Spieltisch. Und auch heute noch kann ich die Kinder und mich selbst immer wieder für eine Runde begeistern.

Magic Maze kids

Magic Maze Kids Cover - Pegasus Spiele, Sit down!
Magic Maze kids Cover – 2 bis 4 Spieler, ab 5 Jahren, 5+ Minuten, Pegasus Spiele, Sit down!

Dass man Kinder auch an komplexere Spielideen behutsam heranführen kann, zeigt Kasper Lapp mit Magic Maze Kids. Märchentiere statt Zwerge und Elfen, vereinfachte Spielpläne und eine Reihe von kindgerechten Übungsmissionen – das ist der richtige Mix für ein Herausforderndes, aber nie zu komplexes Kinderspiel.

Zwei Löwenkinder, Prinz und Prinzessin, müssen ihren der Alchemie anhängenden Vater, den König, regelmäßig aus einer Notlage befreien. Immer wieder schafft er es, sich in einen Frosch zu verzaubern. In den stetig komplexer werdenden Spielplänen, in denen Greifen, Einhörner, ein Drache und der Minotaurus den Weg versperren, müssen sie wechselnde Zutaten für einen rettenden Zaubertrank sammeln. Unterstützt werden sie dabei von einem Ritter in der Gestalt eines Nashorns und einer Magierin, der Maus. In einem mitgelieferten kleinen Pappkochtopf brauen die Kinder schließlich das rettende Gebräu.

Wie vom Vorbild Magic Maze bekannt, definieren Plättchen, in welche Richtung(en) die Kinder die Spielfiguren bewegen dürfen. Von Spielplan zu Spielplan werden die Herausforderungen dabei komplexer. Übungsmissionen führen die Kinder aber sanft und verständlich an die neuen Spielelemente heran.

Zwar sind meine Kinder und ich noch nicht beim höchsten Schwierigkeitsgrad angelangt. Doch schon jetzt sind wir alle hellauf begeistert und würden – einmal angefangen – am liebsten gar nicht mehr mit dem Spielen aufhören. Sollte dabei einmal ein neuer Schwierigkeitsgrad zu komplex sein, besteht immer die Möglichkeit, vorerst auf dem aktuellen Level weiterzuspielen und es ein paar Wochen später erneut zu versuchen. Auch diese Flexibilität macht Magic Maze Kids so gelungen.

Vereinfachte Regeln reichen nicht

Der Blick auf diese Spiele zeigt: Kinder holt man nicht durch vereinfachte Regeln ab. (Eltern auch nicht.) Kinder wollen herausgefordert und belohnt werden, sie wollen lachen und grübeln und sie wollen auch mal wirklich besser sein als Mama oder Papa. Stone Age Junior, Concept Kids – Tiere und Magic Maze Kids können vieles davon bieten und haben, obwohl sie Ableger von Spielen für eine ältere Zielgruppe sind, einen Platz in vielen Kinderzimmern verdient.

Christoph

Ich bin Christoph, Jahrgang ’86, und spiele momentan nahezu ausschließlich zu zweit mit meiner Frau oder zusammen mit meinen drei Kindern. Weil ich Brettspiele erst spät wiederentdeckt habe, habe ich viel nachzuholen. Ich habe ein Schwäche für schlanke Mechanismen und minimalistisches Design.

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