Kolumnen

Gunnars böse Eurogames

Empfehlungen für interaktive Euro-Spiele

Böse Euros? Ich liebe Euros seit je her. Allerdings liebe ich am meisten die fiesen Dinger, wo Interaktion groß geschrieben. Nix gegen das klassische, solitäre Euro, wie man es von Agricola, Arler Erde und Co kennt. In der vergangenen Zeit hatte ich jedoch meinen größten Spaß mit den interaktiven Dingern und hier will ich mal drei meiner Favoriten vorstellen. Ich fange mit dem leicht interaktiven Myrmes an und steigere mich dann über Troyes zu meinem Interaktionskönig Argent:The Consortium.

Myrmes

Als Myrmes 2012 veröffentlicht wurde, lief es bei vielen unter dem Radar. Zugegebenermaßen auch bei mir. Vor ein paar Jahren (glaube 2015 oder 2016) wurde es teilweise auf der Spiel in Essen für 10 (!) Euro verramscht. Wie das manchmal so ist, stieg die Nachfrage dann auf einmal und das Spiel kostete gebraucht um die 60 Euro letztes Jahr. Manche Spiele brauchen halt ein bisschen …

Myrmes hat für mich eines der besten Themen überhaupt bei einem Euro. Der Aufbau einer Ameisenkolonie! Bis zu vier Spieler kämpfen in drei Jahren / Runden um Nahrung und Revier. Der Spielplan zeigt einen schönen Garten, die wichtigen Entscheidungen werden auf unter der Erde auf dem Spielerbrett getroffen.

Es fängt harmlos und noch wenig interaktiv an. Auf unserem Spielertableau programmieren wir unsere verschiedenen Ameisen für die Aktionsphase. Es werden Soldaten ausgebildet, die später auf dem Brett Insekten bekämpfen und dadurch Nahrung beschaffen. Arbeiter beschaffen Erde und Stein. Mit Larven verändern wir bestimmte Ereignisse zu unserem Gusto und die Ammen, die eigentlichen Worker, dürfen sich natürlich auch vermehren. Am Ende der Runde muss natürlich ernährt werden, wie es sich für ein klassisches Spiel dieser Art gehört. In dem Spiel steht man grundsätzlich vor einem großen Dilemma, wie man es in der Form nur von Agricola kennt. Soweit so gut so normal. Richtig interessant wird es im Laufe der Spielzeit auf dem Spielbrett. Am Anfang herrscht für alle noch sehr viel Platz im Garten und es sind genug Insekten für alle. Die Spieler markieren durch die Soldaten ihr Revier mit sogenannten Pheremon-Plättchen und darunter liegende Insekten wandern als Beute in den Ameisenbau. Mit fortlaufender Spieldauer wird es immer enger im Garten und der Kampf um die besten Insekten beginnt. Zudem kann man auch gegnerische Pheremone entfernen und dafür Siegpunkte bekommen. Der modulare Spielplan stellt sicher, dass auch bei zwei Spielern jede Menge Konkurrenzkampf auf dem Brett herrscht.

Myrmes ist ein wunderbares Expertenspiel mit steigender Interaktion analog zur Spieldauer. Der Interaktionsgrad ist moderat und bietet sich an, wenn jemand mal etwas mehr möchte als solitäres nebeneinander bauen. Myrmes bei bgg

Troyes

Wunderschön :)

Boah ist das hässlich! Mega Artwork! Bei dem Spiel gehen die Meinungen über das Artwork auseinander wie wohl bei keinem anderen Spiel. Ich liebe es! Aber noch mehr liebe ich das Spiel an sich. Ein Würfel-Einsetz oder auch Dice Placer der Extraklasse und es kann ganz schön fies sein… Wir befinden uns in der mittelalterlichen Stadt Troyes und versuchen als adlige Familie den Dom aufzubauen, Einfluss beim Adel, Klerus und den Bürgern zu erhöhen und gemeinsam mit den anderen Spielern Angriffe auf die Stadt abzuwehren. Am Ende gewinnt der Spieler mit dem meisten Ruhm aka Siegpunkte. Das Ganze geschieht mit verschiedenen Würfeln, die wir quasi als Arbeiter einsetzen. Eingesetzt werden die Arbeiter auf den Aktionskarten, die von Spiel zu Spiel verschieden sind, sich aber immer in die drei Bereiche Adel, Klerus und Bauern /Bürger unterteilen. So braucht man zum Beispiel für die Aktionen der Bürger grundsätzlich gelbe Würfel, desto höher die Augenzahl desto

Die Angriffe auf die Stadt, kann man sie nicht abwehren, verlieren die Spieler wichtige Würfel

besser der Ertrag aus der Aktion. Die Anzahl der jeweiligen Farbwürfel kann der Spieler durch bestimmte Aktionen selber beeinflussen. Jeder Spieler hat eine bestimmte Anzahl von Würfeln, die nach dem Wurf in die Mitte des Spielplans gelegt werden. Der Clou an der Sache, man darf gegnerische Würfel wegkaufen und für eigene Aktionen nutzen. Hier wird es dann teilweise echt richtig fies. Durch geschicktes Wegkaufen kann man die Pläne des Gegners extrem durchkreuzen. Das ist richtig gespielt definitiv nichts für zarte Gemüter. Hinzu kommtein Hauch  von Semi-Coop Elementen im Spiel. Die Stadt wird Runde für Runde angegriffen. Jede Runde kommt ein Angriff dazu und wirst erst abgelegt, wenn die Spieler die Voraussetzungen erfüllt haben. Für erfolgreiche Angriffe müssen eigene Würfeln geopfert werden, die danach nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch hier erlaubt es die Mechanik durch geschicktes abwehren, die Würfelzahl des Gegners zu dezimieren. Ja, bei dem Spiel kann Frust aufkommen. Ein guter Spieler wird einen Anfänger gnadenlos platt walzen. Der Glücksfaktor ist, obwohl Würfel im Spiel sind, relativ gering. Der Ärgerfaktor dafür umso höher.

Das Spiel ist nicht zu vergleichen mit gemütlichen „Dice-Placern“ wie Grand Austria Hotel oder Marco Polo. Es ist definitiv ein Expertenspiel, ein richtig böses Spiel zudem. Für mich ein Spiel in der All-Time Top 5. Troyes bei bgg

Argent: The Consortium 2nd Edition

Das Spielbrett ist komplett modular und bietet unendlich verschiedene Variationen

Wir steigern uns weiter und kommen zum König des interaktiven Euros. Während ich Troyes auch „lieb“ spielen kann, gibt Argent einem dazu keine Chance. Wir sind Zauberer in einem Harry Potter ähnlichem Universum und wollen zum Kanzler der Argent University of Magic gewählt werden. Dazu müssen wir die Gunst verschiedener Vorstandsmitglieder erringen. Das tun wir, indem wir unserer Zauberlehrlinge im Stil eines Worker-Placement Spiel in verschiedene Räume der Universität setzen. Dort versuchen wir Gold oder Mana zu bekommen, Zaubersprüche zu lernen, sogenannten Unterstützer anzuwerben oder magische Gegenstände zu kaufen, die uns bei der Wahl der Universität unterstützen. Also ein normales Euro im Magie-Gewand? Mitnichten. Zuerst wären da die Vorstandsmitglieder zu nennen. Wer am Ende die Gunst der meisten von ihnen gewonnen hat, gewinnt und wird zum Kanzler gewählt. Jedes Mitglied dieser Jury muss man anders überzeugen. Die Stimmen zdes einen bekommt man durch das meiste Gold, die des anderen durch das meiste Mana oder zum Beispiel für den größten Einfluss auf verschiedene Fraktionen. Jedoch sind immer unterschiedliche Juroren im Spiel und, das ist der Kniff, sie sind verdeckt. Man weiß also gar nicht, wie ich die einzelnen Herren der Universität auf meine Seite bringe. Genau dieses Wissen muss ich mir mit bestimmten Aktionen im Laufe des Spiels erarbeiten. Was nun folgt, ist Worker Placement, aber was für eins! Die Worker / Lehrlinge werden in einer Programmierphase auf die einzelnen Aktionsfelder gesetzt. Erst wenn alle nacheinander ihre Figuren gesetzt haben, werden die Aktionen ausgeführt. Die Lehrlinge sind jedoch grundverschieden. Jeder Spieler hat verschieden farbige Figuren mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Die Roten sind angriffslustig und hauen andere Worker einfach von ihrem Feld. Die Grünen sind genau davor geschützt. Die Grauen geben eine Zaubersonderaktion und die Blauen sind vor Zaubern geschützt. Zauber? Richtig, man kann verschiedene Zauber erlangen, wie zum Beispiel den Feuerball. Ein bestimmter Raum ist bereits voll mit Lehrlingen des Gegners? Feuerball drauf! Diese Phase der Programmierung ist das fieseste und wohl auch das beste Spielelement in einem Euro, das ich je gesehen habe. Timing ist alles! Wann setze ich welche Figur? Welche Figur hat der Gegner noch? Welche Zauber kann ich sprechen? Welche mein Gegner? Klau ich ihm erst Mana, damit er meinen Lehrling nicht in Flammen aufgehen lässt und ich meine Aktion wie geplant ausführen kann? Einfach großartig! Da werden Worker verbrannt, in andere Räume verschoben, ausgetauscht und was auch immer. Am Ende landen viele im Krankenhaus und der Teil, der überlebt hat, darf dann endlich, ganz klassisch, seine Aktion ausführen. Puhhhh, das Spiel ist nichts für zartbesaitete Spieler. Interaktiver geht es bei einem Euro nicht! Für mich eines der besten Euros und das „böseste“ zudem. Argent bei bgg

Gunnar

Baujahr 76 mit Leidenschaft zu komplexen, thematischen, interaktiven Euros und Wirtschaftsspielen. Sehr gern auch im Bereich der historischen Konfliktsimulationen und 18xx unterwegs.

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2 Kommentare

    1. Hallo Sascha,
      „Euros“ oder „Eurogames“ nennt man Spiele, bei denen es vorangig darum geht, etwas zu Optimieren um möglichst viele oder möglichst schnell Siegpunkte zu machen. Meist gepaart mit wenig Interaktion und wenn, nur indirekte Interaktion. Agricola, Caverna, Village uvm. sind vertreter der „Eurogames“.

      LG,
      Alex

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