Offener Brief an Christoph Schlewinskis bezüglich des Beitrags „Von der (Un-)Möglichkeit, Kinderspiele zu testen“.
Sehr geehrter Herr Schlewinski,
mit großem Interesse und reflexartiger Zustimmung habe ich heute Morgen vor der Arbeit ihren Beitrag über das Testen von Kinderspielen gelesen. Bevor ich weiter darauf eingehe vielleicht ein paar Worte zu mir, für Sie und alle die diesen Kommentar lesen: Mein Name ist Alexander Resch, ich bin 25 Jahre, habe meinen Bachelor of Education in Bildungswissenschaften, Philosophie und Politikwissenschaften gemacht und setzte in meinem Studium den Fokus auf die Ganztagsschule und der Möglichkeit das Spielen von Gesellschaftsspielen darin zu integrieren. Seit einem Jahr arbeite ich nun in einer Grundschule im Nachmittagsangebot. Neben dem Mittagessen, den Übungsaufgaben und weiteren Tätigkeiten dieser Art, steht das Spielen mit den Kindern bei mir im Fokus, ebenso wie die das Animieren der Eltern dies ebenfalls zu tun.
Wie bereits geschrieben, heute Morgen vor der Arbeit stimmte ich Ihnen noch vollkommen zu. Dann kam der Arbeitstag auf mich zu und jetzt sieht meine Sichtweise etwas anders aus.
Ich bringe es direkt auf den Punkt: Ich finde es arrogant und herablassend von Ihnen, dem pädagogischen Personal in den von Ihnen besuchten Einrichtungen zu unterstellen, dass diese nicht wüssten, wie wichtig Spielen für Kinder sei und sie damit ein Stück weit die Profession dieser Personen und Einrichtungen untergraben.
Natürlich weiß ich nicht, inwiefern Sie in ihrem Beitrag überspitzen. Aber gehen wir doch Mal gemeinsam die Szenarien durch. Das Kinderspiel des Jahres existiert seit 2001. Mittlerweile also seit 15 Jahren. Eine gewisse Bekanntheit kann man also sicherlich voraussetzen. Aber da steht nun jemand in pädagogischen Einrichtungen und weist sich mit einer Visitenkarte aus, als Fremder, der mit den Kindern spielen möchte? In diesem Fall halte ich Skepsis für höchst angebracht!
Des Weiteren halte ich es für Fakt, dass auch abseits des Kinderspiel des Jahres mit Kindern gespielt und gefördert werden kann. Viele mir bekannte Einrichtungen, benutzen die immer selben Spiele, ja, aber es kommen eben auch immer wieder neue Kinder, welche diese Spiele kennen lernen und an bereits erprobten Spielen wachsen. Ich bin grundsätzlich ein Fan vom Einführen neuer Spiele, besonders da es im Bereich der Kinderspiele eine herausragende Entwicklung gab, dies als Kriterium für ein Urteil über Einrichtung und Pädagogen zu sehen halte ich aber für falsch.
Der nächste Aspekt ist die Spielesammlung bzw. die nicht sichtbare Spielesammlung. Ich kenne viele Einrichtungen, in denen die Spiele weggeschlossen sind. Entsetzt könnte man jetzt aufschreien: Kinder sollen frei spielen können, am besten wann sie möchten. Da würde ich sogar zustimmen. Allerdings nutzt es keinem Kind etwas, wenn die Spiele von fremden Kindern oder eben den eigenen Kindern zerstört werden. Um den Wert der Spiele zu verdeutlichen und diese vor „Fremdzugriff“ zu schützen, werden diese oft nur herausgegeben, wenn gefragt wird.
Das bringt mich zum nächsten Punkt: Jede pädagogische Einrichtung hat unterschiedliche Rahmenbedingungen. Sei es finanzieller, personeller oder räumlicher Art. Meist sind diese Rahmenbedingungen gerade ausreichend, oft einfach nur schlecht. Die Pädagogen in den Institutionen dafür „anzugreifen“ ist falsch. Gerade diejenigen sind es, die oft versuchen etwas zu ändern aber an der Politik scheitern.
Wieso die Eltern dem ganzen so offen gegenüberstehen? Ich vermute es liegt in der Schwere der Verantwortung und der Vertrautheit. Sie schrieben selbst, dass sie bei bekannten Familien anklopften. Diese kennen Sie also bereits. Warum sollten sie Sie nicht mit den Kindern spielen lassen? Für die pädagogischen Einrichtungen sind Sie völlig fremd. Sie könnten Gott-weiß-wer sein. Visitenkarten ausstellen, das kann heute jeder. In Zeiten in denen in Einrichtungen nicht einmal mehr Bild + Name des Kindes hängen dürfen, weil Fremde mit bösartigen Vorhaben dann eine Vertrautheit zum Kind herstellen können, indem sie diese mit Vornamen ansprechen. In Zeiten in denen Pädagogen Kindern bei Verletzungen nicht mehr helfen dürfen – lieber Herr Schlewinski, das sind Zeiten, in denen auch ich extrem skeptisch wäre, wenn jemand mit einer Visitenkarte vom Kinderspiel des Jahres vor mir stehen würde.
Warum näher darüber nachgedacht wurde, wenn sie das verschenken von Spielen ansprechen? Für mich ist das logisch. Bei dem meist sehr begrenzten Budget wäre der Vorteil für die Einrichtung und die Kinder so groß, dass sich ein nachdenken auf jeden Fall lohnt.
Insgesamt wirkt ihr Beitrag also sehr von „oben herab“ geschrieben, ohne potentielle Rahmenbedingungen oder Probleme ergründen zu wollen. Sie klagen ihr Leid und klagen gleichzeitig die andere Seite dafür an.
Aber solch ein Kommentar soll nicht nur negatives aufzeigen. Es freut mich, dass die Jury in die Einrichtungen geht und damit aktiv das Spielen verbreitet. Es würde mich sehr freuen, wenn das Kinderspiel des Jahres gerade unter Pädagogen noch bekannter werden würde. Da müsste aber schon bei der Ausbildung angesetzt werden und das ist vielleicht etwas, wo die Jury Mal überlegen könnte: Wie können wir unsere Sichtbarkeit bei Pädagogen in Ausbildung erhöhen. Wie tragen wir das Spielen mit Gesellschaftsspielen dort hinein. Denn mit aller Liebe unter Begeisterten Gesellschaftsspiele-Spielern: Es gibt weit mehr Spielformen, welche ebenfalls Kompetenzen fördern und wichtig für die Entwicklung sind, als die Art Spiele welche ihre Jury auszeichnet.
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Resch
Der Beitrag von Christopher Schlewinski auf den sich dieser offene Brief bezieht, ist hier zu finden: Spiel des Jahres
Hallo Alex,
nicht jeder vermag einen so guten Namen wie Jury SdJ aufzuweisen. Und die Erfahrungen mit Kinderstätten von Christopher Schlewinski kann ich teilen. Es brauchte drei Anläufe zur Gründung der Kleinen Zockerbande. Die ersten beiden Male bin ich auch mit großen Augen abgesehen worden – was will der? Zockerbande? :-) …und bin ohne Erklärungsbedarf weitergeschickt worden. Ich glaube nicht, dass Christopher den Pädagogen Vorwürfe entgegnen möchte. Für mich nachvollziehbar bringt er eher sein Bedauern zum Ausdruck, dass ihm keine Chance eingeräumt wurde, sein Anliegen zu erklären. Vielleicht geht es ihm darum, dass man mit seinem Anliegen nicht gleich mit der ersten Abweisung resignieren sollte.
Heuer beginnen wir bereits den fünften Jahrgang mit der Kleinen Zockerbande im Caritas-Kindergarten Sonnenstein – um gemeinsam mit den Senioren der Ghersburg Spielevormittage zu verbringen. Und bis heute stellt sich bei mir keine Unbeschwertheit ein, sollte ein Kind mal sehr vertrauensselig mit mir umgehen. Ich bat sogar die Betreuerin einmal um Unterstützung der Unterbindung, weil ein Mädchen mir zu kuschelig war. Dieses ständig herrschende Misstrauen gegenüber Außenstehenden bringt leider so seine Probleme mit sich – verständlicher Weise.
Spielspenden zu machen, habe ich inzwischen eingestellt. Ich teile da deine Erfahrung, wo Spieleschachtel nicht weggesperrt werden, sind sie bald unbrauchbar. Wo sie geschätzt werden, sind sie gut verwahrt und es liegt darum nur geringer Bedarf an neuem Material vor – was mit Sicherheit auch seine Vorteile in der Anwendung findet.
Liebe Grüße
Nils