Solorezensionen

Vergleich: Arkham Horror LCG vs Herr der Ringe LCG

Kampf der kooperativen LCGs

Wer ein Faible für Living Card Games (LCG) hat, kommt an Nate French kaum vorbei. Der Haus- und Hofverwüster bei Fantasy Flight Games hat seine Finger fast in jedem großen LCG drin: Arkham Horror (AH), Herr der Ringe (HdR), Game of Thrones, Warhammer Conquest, Legends of the Five Rings … oft in Kooperation mit anderen Autoren, wie zum Beispiel dem großartigen Eric M. Lang. Was Nate French aber von anderen Autoren unterscheidet: er machte das einst ausschließlich kompetitive Sammelkartenspiel-Genre kooperativ und somit solo-kompatibel. Damit steht er auf meiner Buddy-Liste natürlich ganz weit vorne.

Nun ist seit 2011, als das Herr der Ringe LCG auf den Markt kam, viel Zeit ins Land gegangen. Seit ich es 2012 das erste Mal gespielt habe, stand es auf meiner Boardgamegeek-Liste ganz oben und fristete ein einsames und nie erreichtes Dasein als bestes Kartenspiel der Welt. 2016 wurde dann das Arkham Horror LCG angekündigt und ich muss wohl kein Wort darüber verlieren, dass ich vor Freude fast einen Salto drehte. Es gibt nur zwei Sachen, die noch besser sind als die Welt von Tolkien: die Welt von H.P. Lovecraft und ein Mix aus Locevraft, Western, Steampunk und Fantasy. Also Malifaux …

Kopie or not Kopie?

Damals hieß es noch, dass für das Arkham Horror LCG die gesamte Mechanik vom Herr der Ringe LCG übernommen wird. Ich kann an dieser Stelle schonmal vorwegnehmen, dass dem nicht so ist. Es handelt sich also nicht nur um eine bloße Kopie im neuen Gewand.

Nun sind wieder 2 Jahre ins Land gezogen und es wird Zeit, die beiden LCGs mal im direkten Vergleich zu betrachten. Hier werde ich nur auf die Grundspiele eingehen, an anderer Stelle werde ich dann was zu den Erweiterungen schreiben. Fangen wir mit dem Grundlegendsten an: die Regeln.

Arkham vs Herr der Ringe Regelhefte

Regeln

Die Rezension zum Arkham Horror LCG (AH) findet ihr hier. Eine Rezension zum Herr der Ringe LCG (HdR) folgt.

Bei HdR stehen die Regeln noch sehr schön kompakt in einem Regelheft, während man bei AH dazu übergegangen ist, die neuerdings typischen zwei Regelhefte zu verwenden: Regeln und Referenzhandbuch. Dazu kommt bei AH noch ein Kampagnenheft, insgesamt also eigentlich 3 Hefte. Ich persönlich finde die Idee mit den zwei Heften ja gar nicht so schlecht, wenn sie denn gut umgesetzt wird. Leider ist es bei AH so, dass ich gewisse Dinge nur im Referenzhandbuch finde und das nervt mich immer, wenn ich dauernd zwei Hefte durchblättern muss. Von daher ist mir ein gutes! und klar strukturiertes Regelheft lieber als zwei.

Der Flow

Die Regeln selbst sind bei beiden Spielen stellenweise fitzelig und es braucht etwas, bis man in den richtigen Spiel-Flow kommt. Bei AH ist das noch etwas einfacher als bei HdR. Bei Letzterem hängt wirklich sehr viel davon ab, was man wann in welcher Reihenfolge abhandelt und es kann wirklich spielentscheidend sein, ob ich eine Spieleraktion vor oder nach der eigentlich Phase oder gerade stattfindenden Aktion abhandeln darf. Nicht umsonst widmet Fantasy Flight Games dieser Reihenfolge zwei komplette DIN A4 Seiten im Heft. Und auch die FAQ/Errata sollte man sich dringend durchlesen. AH ist in dieser und anderer Hinsicht geradliniger. Auch nach drei Szenarien musste ich bei HdR immer wieder mal in die Regeln schauen, um zu gucken, ob mein Vorhaben regelkonform ist. Ich kann euch aber beruhigen: auch da wächst man rein und irgendwann flutscht es.

Arkham vs Herr der Ringe Zugreihenfolge Herr der Ringe

Entweder/Oder

Was LCGs oder Sammelkartenspiele für mich generell ausmacht, sind Entweder/Oder-Entscheidungen. Beiden Spielen gemeinsam ist, dass ich natürlich entscheiden kann, welche Karte ich wann aus der Hand spiele. Bei AH muss ich zudem entscheiden, ob ich eine Karte in meinen Spielerbereich ausspiele (beispielsweise eine Waffe, die ich dann dauerhaft nutzen kann) oder sie als Verstärkung für eine Probe nutze. Bei AH kann ich dann noch entscheiden, ob ich mich auf Ort A, B oder C bewege, was für die Geschichte später durchaus von Bedeutung sein kann. Oft hat man nämlich nicht die Zeit, um alle Orte zu besuchen, und so ändern sich die Auswirkungen der eigenen Entscheidungen im weiteren Verlauf.

Bei HdR gilt es abzuwägen, ob man einen Helden/Verbündeten in ein Abenteuer schickt, um die Story voranzutreiben oder ob man mit ihm die Gegner in der Aufmarschzone verteidigt beziehungsweise angreift. Prinzipiell kann man einen Helden/Verbündeten nämlich immer nur für eine Sache nutzen (außer Karteneffekte sagen was anderes). Und das ist rein mechanisch betrachtet wirklich ein Unterschied im Spielgefühl.

Freiheit

Der für mich entscheidendste Unterschied zwischen den beiden Spielen ist die Aktionspunktebeschränkung bei Arkham Horror. Während ich bei Herr der Ringe fast immer alles zu jeder Zeit machen kann, solange ich nur die notwendigen Ressourcen dafür habe, bin ich bei AH beschränkt auf 3 Aktionen pro Spieler und kann die auch nur in der Ermittlerphase nutzen. Da habe ich also die beste Kombo auf der Hand und kann sie nicht nutzen, weil ich nicht genügend Aktionen zur Verfügung habe. Das nervt mich persönlich schon gewaltig und war dann letztendlich für mich auch der Grund, warum ich dem Herr der Ringe LCG den Vorzug gegeben habe. Das muss allerdings jeder für sich entscheiden, welche Art zu spielen er bevorzugt. Arkham Horror muss deswegen nicht schlechter sein. Herr der Ringe entspricht hier einfach mehr meinem eigenen Spielstil.

Kontrollverlust

Ein zweiter Punkt, über den man sich im Klaren sein sollte, ist die Kontrolle. Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass man in Arkham ständig damit zu kämpfen hat, nicht wahnsinnig zu werden oder die Kontrolle zu verlieren. Während ich bei HdR mehr oder weniger sehen kann, mit wem ich es zu tun habe und dann mit simpler Mathematik ausrechne, ob meine Kampfesstärke reicht oder nicht (ganz so einfach ist es natürlich nicht), stehe ich in Arkham gerne mal völlig überraschend vor einem fiesen, schleimigen Tentakelzeugs, das mir die Lampen ausbläst. Schnell nochmal in den Chaosbeutel gegriffen, -3 auf die Wissensprobe und das war’s. Damit muss man in Arkham klarkommen oder es lassen. Da lob ich mir meine Höhlentrolle und Sumpfnattern. Wer also ein Problem damit hat kontrolliert zu werden: macht lieber Urlaub in Bruchtal!

Arkham vs Herr der Ringe Zugreihenfolge AH

Kampagnenmodus

Wie sollte es anders sein: wenn der Cthulhu-Mythos was kann, dann eine Geschichte erzählen. Nicht dass die Story von Tolkien an sich schlechter wäre, umgesetzt wurde sie aber definitiv bei Arkham Horror besser. Beim Herr der Ringe arbeiten wir die einzelnen Szenarien einfach ab und wer Bock hat, der kann dann am Ende noch Punkte zählen und gucken, ob er es dieses Mal besser oder schlechter gemacht hat. Szenario nicht geschafft? Kein Problem, spiel es einfach nochmal. Nicht so in Arkham: bist du an der Weggabelung rechts abgebogen, dann läufst du auch rechts und zwar bis zum bitteren Ende. Dir wurde ein Arm abgehackt? Tja, schade … du läufst ab sofort mit nur einem Arm in der Welt herum, ob es dir passt oder nicht. Du hast dich in Szenario 1 dafür entschieden, eine nicht ganz gesetzeskonforme Lösung für das Problem zu finden? Na dann pass mal auf, dass der Boomerang in Szenario 3 nicht zurück kommt!

Da beißt die Maus keinen Faden ab: der Kampagnenmodus ist in Arkham Horror einfach besser, weil es ein wirklicher Kampagnenmodus IST. Bei Herr der Ringe fügt sich zwar die Story aneinander, die Szenarien unter sich stehen aber völlig frei. Und auch die Geschichte selbst wird bei AH besser erzählt. Ein Szenario wird viel mehr „erlebt“. Herr der Ringe hat – zumindest im Grundspiel – nur kurze Einleitungstexte und ab dann wird es mechanisch. Punktsieg für Arkham, sodenn man den Storymodus präferiert.

Arkham vs Herr der Ringe AH Ermittler

Mangelerscheinungen

Das Kernelement eines jeden LCGs ist und bleibt der Deckbau. Nach dem ersten Kennenlernen mit den Starterdecks kommt man früher oder später an den Punkt, wo man sich selbst was basteln muss, damit man ein Szenario meistern kann. Hier hat Herr der Ringe wieder die Nase vorn. Prinzipiell kann ich jede der vier Sphären miteinander kombinieren. Ich muss nur darauf achten, dass ich während des Spiels genügend Ressourcen sammle, um die Karten dann auch bezahlen zu können. Ressourcen sind bei HdR nämlich sphärenabhängig.

Einfacher ist Arkham Horror. Jedem Charakter ist zugewiesen, aus welchen Charakterklassen er sein Deck zusammenbauen darf. Nur damit ist man leider dann auch etwas eingeschränkter als bei HdR, weil man nämlich nur zwei der fünf Klassen benutzen darf (plus neutrale Karten). Es ist also dann beispielsweise nicht möglich, drei Fähigkeiten gleichzeitig auszubauen. Der Fokus wird immer auf maximal zwei Fähigkeiten liegen. Dafür kann man in Arkham Horror seine bereits vorhandenen Karten durch stärkere Karten ersetzen, wenn man in den Szenarien genügend Erfahrungspunkte gesammelt hat.

Beiden Spielen gemeinsam ist, dass ein Grundspiel allein nicht ausreicht, um ein anständiges Deck zu bauen. Man braucht schon mindestens zwei (bei HdR eigentlich drei) Grundspiele, um die Möglichkeiten voll ausnutzen zu können. Sonst kommt man weder auf 50 Karten für ein Turnierdeck (30 Karten im Grundspiel von AH), noch kann man bis zu drei gleiche Karten (AH zwei Karten) verwenden. Einfach weil in den Grundspielen nicht mehr Karten drin sind. Das Horn von Gondor ist beispielsweise nur ein einziges Mal im Grundspiel von Herr der Ringe vertreten. Dafür muss man bei HdR aber keine Schwächen in sein Deck bauen. Hat ja auch was.

Arkham vs Herr der Ringe Insert

Hardware

Ein paar Worte möchte ich noch zum Material sagen, obwohl dies eigentlich nicht entscheidend ist. Insgesamt ist das Material und die Grafik bei beiden Spielen bombe. Erwähnenswert ist, dass dem Arkham Horror Grundspiel aus Kostengründen kein Chaosbeutel beigelegt wurde, was viele Spieler verärgert hat. Den muss man sich im Handel irgendwie besorgen oder selber nähen. Der zweite (für mich aber wichtigere) Punkt ist die Schachtelgröße: Herr der Ringe nutzt noch das große Standardformat, was für die wenigen Karten im Grundspiel völlig überdimensioniert wirkt. Arkham Horror kommt im kleinen Format, das auch Das Ältere Zeichen schon nutzte.

Das Problem hierbei ist folgendes: wenn mir das Spiel gut gefällt, kann ich mir für Herr der Ringe ein Insert basteln oder kaufen und sämtliche Karten der ersten ein bis zwei Zyklen aufrecht mit in das Grundspiel packen. Die kleinen Abenteuerpacks kommen ja nur in so klitzekleinen Blisterverpackungen. Da man eh minimum zwei Grundspiele braucht, sind damit mindestens 3-4 Zyklen verstaut.

Bei Arkham Horror kann ich die Karten nur liegend reinpacken und es passen wegen der geringeren Schachtelgröße auch wesentlich weniger Zusatzpacks mit rein. Das mag für einige Spieler keine Bedeutung haben, weil sie sich eh was anderes überlegt haben, aber ich wollte es zumindest erwähnen.

Siegerehrung

[author title=“Ines‘ Solo Spieler Meinung“ image=“https://secure.gravatar.com/avatar/d1c01c262ce410670814c8b1b4e00fae?s=180&d=mm&r=g“]

Tja, wer ist denn jetzt der Sieger in unserem kleinen Vergleich? Um mich mal fein aus der Affäre zu ziehen: beide oder keiner. Auch wenn im Netz gerne propagiert wird, dass die beiden Spiel sehr ähnlich wären, behaupte ich, dass die Spiele schon ausreichend unterschiedlich sind. Man sollte einfach schauen, welches Spiel eher dem eigenen Spielstil entspricht. Willst du eher eine Geschichte erleben und magst Überraschungen? Dann fühlst du dich vielleicht in Arkham wohler. Bist du eher der Techniker, der um jeden Preis gewinnen will und sein Deck dafür bis zum Erbrechen optimiert? Dann fährst du mit Herr der Ringe besser. So oder so, beide Spiele sind es wert gespielt zu werden und ihr habt sie doch sowieso schon beide im Schrank stehen, oder?[/author]

 

Ines B.

Howdy da draußen. Ich spiele fast alles. Am liebsten mit Miniaturen und/oder vielen Karten: Tabletop, LCGs, Partyspiele, Ameritrash ... Feldsalat mag ich grundsätzlich nicht, aber als Kolonist hat man mich auch schon gesehen. Thematisch bin ich meistens in Arkham unterwegs oder mache den Westen unsicher. Hin und wieder reise ich auch mal nach Gondor, wenn Gegner in Malifaux gerade aus sind.

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5 Kommentare

  1. Na logo stehe beide im Regal. Im Moment hänge ich mehr an AH, aber einfach nur, weil ich es erst seit kurzem habe. In Summe stimme ich der sehr guten Besprechung zu.

  2. Klar stehen beide im Schrank, von AH aber wesentlich mehr (HdR nur Grundbox). Der Grund ist eben weil HdR auf mich doch was mechanisch wirkte, wollte mich demnächst aber noch ein Mal drann setzen.

  3. Meine Frau und ich haben eine umfangreiche Sammlung zur HdR Kartenspiel und überlegen wegen des Stry-Erlebnisses auch einmal bei AH reinzuschnuppern, dass uns auch schon mehrmals von Bekannten empfohlen wurde. Bezüglich der Story hatte das HdR-Kartenspiel mir den späteren Erweiterungen gehörig nachgebessert. Ab dem 3. Zyklus wird immer eine zusammenhängende Geschichte erzählt, die durchaus auch mal ihre Wendungen bereit hält. Nicht zu vergessen sind hier auch die Saga-Boxen mit denen die Spieler zusammenhängend die Geschichte der Bücher nachspielen können und dabei auch die ein oder andere Verbesserung (und auch Verschlechterung) für ihre Decks erhalten. Dieser Kampagnen-Modus hat für uns das Spiel noch einmal gravierend verbessert.

  4. Toller Beitrag!
    Auch bei mir stehen beide Titel im Schrank. Herr der Ringe seit erscheinen und wurde im Sammelwahn bereits 3-4x komplett ge- und wieder verkauft^^ und hat aktuell 1000+ auf dem Zähler.
    Ich persönlich bevorzuge ebenfalls eher HDR da mir einfach das Lovecraft Universum wohl ewig ein Rätsel bleiben wird :D
    Aber im Ernst: Verschreckt hat mich, die ewige Regelheftsuche, die hier auch angesproche wurde. Ich spiele viel und alles und komme auch bei komplexen Spielen schnell rein – gerade dies ist bei AH… ungünstig gelöst und brachte mich sehr schnell wieder zu HDR, wo ich wohl bleiben werde, bis meine Söhne es mit mir zusammen bestreiten können ;)
    HeRo

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